Noch ein Nachtrag: Heinrich Heine in Samarkand

von Estella

Abendsonne.
Sie taucht den Registan in märchenhaftes Licht, die Kuppeln der Moscheen flammen auf, kantig schneiden sich die Medresen in den marineblauen Himmel, rosa leuchtet das Tigerhaus.
Vier Frauen sitzen vor diesem Schauspiel und staunen. Ich frage, ob ich die Legende von Bibi-Chanym, Timurs Lieblingsfrau, die durch eine List ihr Leben gerettet hat, erzählen soll (wegen vermeintlicher Untreue soll sie vom Minarett gestürzt werden, ihr letzter Wunsch, all ihre Lieblingskleider anziehen zu dürfen, wird ihr gewährt, und so schwebt sie in ihren Seidenkleidern sanft zur Erde).
Mittendrin merke ich, wie sich Zuhörer um uns scharen. Die jungen Männer warten das Ende der Geschichte ab, nähern sich einer nach dem anderen und fragen in tadellosem Deutsch höflich, woher wir kommen und ob es uns hier gefällt. Schnell entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns und den fünf usbekischen Germanistikstudenten. Wir sind beeindruckt von ihren Sprachkenntnissen, und in der deutschen Literatur kennen sie sich auch aus. Sie nennen Lessing, Goethe, Heine. Einer beginnt zu zitieren, die anderen helfen weiter, wenn er stockt: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin? Ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn…“ Wir Frauen fangen an zu singen, die Studenten fallen zögernd ein. Alle Achtung, sie sind textsicherer als wir! Wir helfen uns wechselseitig: sie uns mit dem Wortlaut der ersten und der dritten Strophe, wir ihnen mit der Melodie. Das ist Kulturaustausch!

P.S.: Als ich nach Sonnenuntergang bei der Ton- und Licht-Show noch einmal auf dem Registan bin, werde ich wieder von einem Germanistikstudenten angesprochen. Und dieses Mal singen wir hingebungsvoll alle drei Strophen der Loreley. Der leise Akzent gegen das Gedröhne aus den Lautsprechern tut wohl.

Estella

Post aus Urumqi

von Adelheid
Das ist also Urumqi, in dem Sven Hedin ca. 1930 über ein halbes Jahr fest saß, weil irgendein Gebietsfürst ihn nicht weiterziehen ließ, eine moderne Stadt mit vielen Hochhäusern und viel Verkehr. Die noch existierenden kleinen Strassen mit zahlreichen Imbissständen konnten wir allerdings fast hautnah entdecken, als der Bus sich auf Grund einer Umleitung gestern hindurch quälen musste und es lange dauerte,bis wir endlich unser Hotel erreichten。
Heute morgen haben wir wieder einmal bunte Märkte besucht, typisch chinesische und uigurische Produkte angesehen oder ausprobiert wie zahlreiche Heilkräuter, Ginseng  Heilpilze, Geweihe in Scheiben geschnitten als Potenzmittel, Jadeschmuck in den unterschiedlichsten Preislagen, schöne Trockenfrüchte – bekannte und unbekannte – , und schließlich sah ich auch eine Post, wo ich Briefmarken  kaufen wollte, um einige der nicht versprochenen Ansichtskarten zu schreiben. Das war ein Erlebnis für sich!
Niemand sprach Englisch oder wusste, wo Germany in Europe liegt, doch zwei freundliche Uiguren halfen mir. Zuerst sollte ich Ansichtskarten kaufen, die wie Postkarten bei uns bereits mit Porto versehen waren. Dazu musste sich der Beamte herbequemen, der aber kein Geld (chinesisches wohlgemerkt) wechseln konnte. Auch das erledigten die beiden für mich. Dann ging es an einen anderen Schalter, weil noch zusätzliche Briefmarken vonnöten waren. Die bekam ich aber nicht in die Hand gedrückt  sondern sie wurden von einer Beamtin sorgfältig mit Klebestift aufgeklebt –  aber erst, nachdem ich die Karten geschrieben hatte; denn die durften nur auf diesem Postamt aufgegeben werden.
Doch was tun ohne Adressbuch? 5 Adressen „schaffte“  ich aus dem Gedächtnis  schrieb einen kurzen Gruß und eilte zurück zum ausgemachten Treffpunkt, um mit den anderen per Taxi (Horror!) zum Hotel zurück zu fahren.
Adelheid

Nachtrag aus Teheran: Drei Begegnungen

von Estella

Allein unterwegs schaue ich fasziniert auf die Schneegipfel des Alborzgebirges, schieße zwei Fotos. Aus buchstäblich heiterem Himmel taucht ein Polizist vor mir auf und gebietet mit eindeutiger Geste: No photo! Zunächst begreife ich gar nicht, warum. Bis ich die Autos mit der Aufschrift „Police“ sehe. Oh je, darauf habe ich nicht geachtet. Ich weiß ja, Militär, Ministerien, Polizei dürfen nicht fotografiert werden… Und schon werde ich von zwei männlichen und zwei weiblichen Polizisten umringt, letztere mit heller Uniform unter dem schwarzen Chador. Eine von ihnen fordert mich auf, die Fotos auf dem Display zu zeigen. Glück gehabt: Die Sonne blendet, und so entdeckt sie „Police“ am unteren Bildrand nicht. Merkwürdig: Auf dem Rückweg lächelt mir die Polizistin, die mich in die Mangel genommen hat, verlegen freundlich zu. Vielleicht ist sie ja gar nicht so streng, wie sie im Dienst zu sein hat.

Im Golestan-Park sitze ich nachmittags auf einer Bank und lasse die Eindrücke aus den Prunkräumen nachwirken. Da spricht mich ein älterer Mann an, hocherfreut, dass er mit mir Deutsch sprechen kann. Er stellt sich als gelernter Schuhmacher für Damenschuhe vor und erzählt, er habe sieben Jahre Englisch studiert und lerne jetzt Französisch und Deutsch, jeden Tag komme er hierher, um von den Touristen zu lernen. Er hält mir sein viel gebrauchtes Schreibheft hin und bittet mich, die Ausdrücke aus unserem Gespräch aufzuschreiben, die neu für ihn sind, z. B. „Theaterpädagogik“, „Leidenschaft“, „Begabung“.

Unsere Lektion wird von einer jungen Frau unterbrochen, auch sie im schwarzen Chador, die sich schüchtern an meinen Gesprächspartner wendet. Dieser erhebt sich, und ich werde Zeugin einer Szene wechselseitiger Höflichkeitsbezeugungen: Beide verbeugen sich immer wieder voreinander, weisen einladend auf den Platz neben mir. Bei uns hätten wir ohne weiteres zu dritt nebeneinander sitzen können, nicht aber in Iran… Schließlich hat die junge Frau das Privileg des Sitzens angenommen. Sie stellt sich in tastendem Englisch als Touristikstudentin vor, sammelt Material für eine Umfrage und erkundigt sich nach dem Grund meiner Reise, nach meinem Bild von Iran, nach meiner Meinung zu den Menschenrechten hier, ob ich vorhabe, wiederzukommen. (Ihre Fragen beantworte ich diplomatisch, sie sind mir nicht neu, denn bereits an der Grenze sind wir so von einer offiziellen Behördenvertreterin  gefragt worden). Gefreut hat mich, dass ihr die Partnerschaft zwischen Isfahan und Freiburg bekannt zu sein schien!

Die „Unterrichtsstunde“ ist nach dem Aufbruch der Studentin nicht mehr so recht in Gang gekommen. Meine Konzentration hat nachgelassen, denn beim Blick auf die Uhr wird mir plötzlich klar: Der Park wird bald geschlossen, von den anderen keine Spur, und ich kenne den Rückweg zum Hotel nicht. Aber wer steht da wie herbei gezaubert am Tor, das bereits zu ist? Ina und Hans-Peter! Hastig verabschiede ich mich, wie ich es gelernt habe , mich verbeugend und dabei die rechte Hand aufs Herz legend –  mit schlechtem Gewissen gegenüber dem wissbegierigen Schuhmacher, der sich Tag für Tag in den Okzident träumt.

Estella

Abschied von der Seidenstraße

Text und Fotos von Jogi Meyer-Sieger

Nun ist es tatsächlich passiert:

der Rückflug von Almaty nach Frankfurt ist ebenso Vergangenheit wie die Avanti-Busreise auf dem ersten Teil der Seidenstraße

– ich sitze , noch etwas benommen von der Flut der zahllosen Eindrücke und Erlebnisse, vor dem heimischen PC in Freiburg und möchte mir immer wieder auch mit Hilfe der Fotos die vergangenen 5 Wochen in Erinnerung bringen:

Von dem Familienabend in Teheran füge ich noch 2 Bilder hinzu (Anmerkung der ‚Redaktion‘: die 2 Fotos sind nun auch im entsprechenden Beitrag eingefügt) – man mag es kaum glauben, wie „westlich“  sich viele Frauen innerhalb ihrer Wohnung kleiden und reden, wenn man kurz vorher durch die Straßen dieser Riesenstadt gegangen ist und nur verschleierte bzw. mit Kopftüchern verdeckte Haare gesehen hat (25.April 13)!

Vor der Freitagsmoschee in Taschkent / Usbekistan will ich mich verneigen, verliere das Gleichgewicht – und so sieht nun ein Kopfstand in Zentralasien aus (8.Mai 13)!

Dann schließlich der Abschied in Almaty / Kasachstan, mit Blick auf das in 1800 m Höhe gelegene Eisstadion , neben mir ein Einheimischer, der mit Freunden hier oben gerade die Erinnerung an seine Einschulung 1941 in Almaty mit Wodka (in der Kiste)  und Keksen gefeiert hat !  (11.Mai 13) Ich bin froh und dankbar, diese Reise mitgemacht zu haben – und wünsche allen weiterreisenden „Jungs und Mädels“ im Avanti-Bus eine gute Fahrt :  Lasst Euch Zeit,  mit offenen Augen Land und Leute zu sehen und zu erleben!

Ich denke an Euch,
Jogi Meyer-Sieger

Abschied in Almaty

von Lothar Schulz

Einmal musste er kommen, der Tag, an dem sich einige aus der Truppe verabschieden, um zurück in die Heimat zu fliegen. Nicht nur den Abreisenden, auch den Weiterreisenden fiel dieser Abschied sichtlich schwer. Haben wir doch 34 Tage lang eine tolle Gemeinschaft gebildet, was dazu beitrug, das Erlebte eben nicht nur zu erleben, sondern es zu genießen.
Der Mischmasch aus ernster, fundierter, solider Unterhaltung und spaßigen Beiträgen, Zwischenrufen oder netten Neckereien, die jeden mal trafen, führten ganz einfach dazu, daß jeder die Gemeinschaft in der Form akzeptierte, wie sie nun mal da war. Eines ist sicher, an diese Tage wird sich jeder immer gern erinnern und sie vielleicht auch vermissen.

Die Weiterreisenden grüßen Euch, die abgereisten “Jungs und Mädels“:

Estella, Gisela, Irma, Karla, Achim, Christian, Jogi, Mandy, Rene.

Es schrieb Lothar, im Namen aller, die Euch kennen lernen durften, weil Ihr mit Avanti fuhrt.

Abschied

Foto und Text von Achim Hudewentz

Kasachstan v. Achim Hudewentz

Taschkent wurde 1966 in weiten Teilen durch ein Erdbeben zerstört und danach im zeitgenössischem Stil wieder aufgebaut. So ähnelt die Stadt vielen anderen Städten der Welt und lässt nicht die Illusion aufkommen, hier zogen Kamelkarawanen durch die Straßen, Märchenerzähler berichteten von großen Abenteuern und Gaukler führten ihre Kunststücke vor. Daneben gibt es auch noch einen Altstadtbereich mit einem großen Basar, der meine Vorstellung schon eher bedient. Ich dachte mir, das ist eine gute Stadt, um eine Orient-Reise zu beginnen, aber nicht unbedingt ein krönender Abschluss nach Städten wie Istanbul, Isfahan, Buchara oder Samarkand.

Am nächsten Tag wollten wir die Grenze nach Kasachstan überqueren. Der zuerst angesteuerte Übergang war jedoch für Busse gesperrt, wir mussten einen weiten Umweg fahren. So erreichten wir erst um 23.30 Uhr unser Hotel in Taraz, ein Hotel, das eher nicht in edlen Reisemagazinen vorgestellt wird. Gut, das war jetzt zum Schluss zwar anstrengend, aber insgesamt war es eine tolle Reise, die morgen für mich zu Ende geht, und das ist gut so. Das war gestern.

Doch dann der heutige Tag! Wir fahren durch eine endlose hügelige Steppenlandschaft. Der Mohn steht in voller Blüte. Immer wieder sehen wir Pferdeherden ohne jede Einzäunung. Kleine Wege zweigen von der Straße ab. Wo mögen sie hinführen? Ein einsamer Hirte auf seinem Pferd gleicht John Wayne im Wilden Westen. An einem Rastplatz kaufe ich bei einer Frau dicke Wollpuschen.

Rechts begleitet uns das Himmelsgebirge mit seinen schneebedeckten Viertausendern. Dieses Gebirge wird meine ReisegefährtInnen auf ihrer Reise durch China noch lange begeistern.

Ich freue mich auf zu Hause, aber ich beneide auch diejenigen, die weiter dabei sind. Wehmütig denke ich, ab morgen kann ich ihre Erlebnisse nur im Blog und ihren Weg als GPS-Signal verfolgen. In Gedanken werde ich oft bei Euch sein!

Und im Winter werden mich die Puschen an diesen wunderbaren Tag erinnern.

„Kaffee Malerei“ von Jogi Meyer-Sieger

Obwohl der rote Avanti-Bus noch im Niemandsland zwischen Turkmenistan und Usbekistan steht – so haben wir doch Muße und Lust, in Buchara herumzuschlendern. In einem Seitengässchen des
Basars sitzt eine junge Frau an ihrer Malerarbeit – Aquarell, Mosaikzeichnungen und hellbraun getönte Bildchen mit Stadtansichten von Buchara. Ein Aquarell erinnert mich wegen der in sich verlaufenden Farben an die Malerei meiner vor 4 Jahren verstorbenen Mutter, die in hohem Alter wieder mit Malen begonnen hat:
durch Wasserverlaufstechnik entstehen ineinander verlaufende Farben ohne scharfe Abgrenzung – und so komme ich mit der jungen Usbekin, die sich als „Madina“ vorstellt, über dieses Bild ins Gespräch. Sie braucht für eine kleine Mosaikmalerei fast eine Woche, deshalb malt sie mehr kleine Aquarelle, was für sie einfacher und finanziell ergiebiger sei, und eben diese braunen Bilder. Sie erklärt mir, dass sie diese Arbeit mit Kaffee macht, mit aufgelöstem Nescafé ! Dadurch entstehen Farben, die dem Wüstensand und der Farbe der hiesigen Mauerziegel verblüffend ähnlich sind. Und diese Technik habe sie von ihrem Vater gelernt, der vor 5 Jahren verstorben sei. – Oh ja, sinnieren wir , vielleicht sitzen diese beiden , Madinas Vater und meine Mutter, irgendwo auf einer Wolke im All, unterhalten sich über ihre Malerei und lauschen unserem Gespräch…..eine Vorstellung, die uns beiden Menschen aus verschieden Erdteilen auf dieser kleinen Welt sehr gut gefällt!
Und selbstverständlich erstehe ich ein Kaffeebild, das Madina noch mit einer persönlichen Signatur mit ihrem Pinsel aus feinstem Katzenhaar versieht.
Ich freue mich, dass dieses Bild bei mir zuhause zwischen den Bildern meiner Mutter eine nette Erinnerung sein wird.