Bericht von Heidi Bisang
Liebe Blogleserinnen und -leser
Eigentlich wollte ich erst in ein paar Tagen wieder schreiben, aber was wir heute erlebt haben, muss ich einfach berichten.
Nach einer laaangen Fahrt, fast 12 Stunden waren wir unterwegs – allerdings unterbrochen von einer Schluchtenfahrt per Boot in Tuxtla Gutierrez – von Puerto Escondido nach San Cristóbal de las Casas (ehemalige Hauptstadt von Chiapas). Die letzten paar Kilometer sind wir – während einem Gewitter und Platzregen der sich buchstäblich gewaschen hat – den Berg hochgekrochen. Nicht nur der Chauffeur, auch wir waren hundemüde, Petrus hatte ein Einsehen und im Moment als der Bus im Städtchen ankam hat’s auch aufgehört zu regnen, die letzten paar hundert Meter mussten wir nämlich zu Fuß gehen, weil die Gasse zu unserem Hotel zu eng ist für den Bus.
Heute Morgen sind wir dann mit dem Bus noch ein bisschen höher gefahren ins Tzotzil Dorf San Juan Chamula. Ein herziges Bergdorf (ca. 2500 Meter über Meer), das wohl hauptsächlich vom Tourismus und Landwirtschaft lebt. Die Frauen weben die bunten Maya Stoffe, machen Stickereien und aus kleinen Glasperlen Schmuck, die Männer kümmern sich wohl um die Landwirtschaft, wenn sie nicht gerade im Dorf rumstehen. Das tun sie gerne und ausgiebig hatte ich so den Eindruck. Aber deswegen schreibe ich nicht.
San Juan hat nämlich die erstaunlichste Kirche, die ich je erlebt habe. Die wohl ehemalige Hauptkirche des Ortes wird nämlich nicht mehr von der Institution Kirche betrieben, sondern dient als Haus des lieben Gottes nur den Bewohnern. Es gibt keinen Priester und es werden keine Messen gelesen. Die Menschen gehen, alleine oder mit der ganzen Familie dorthin, wenn sie ein Anliegen haben, eine Bitte oder einen dringenden Wunsch. Wir wurden angehalten ja nicht zu fotografieren (ganz streng verboten), keine Sonnenhüte zu tragen und auch keine Sonnenbrillen. Was wir dann zu sehen bekamen entbehrt jeder Vorstellungskraft. Da sitzen ganzen Familien am Boden und zünden dutzende Kerzen an. Der Boden ist bedeckt mit Föhrennadeln (die ganz dünnen, feinen, langen), vermutlich, dass der Boden nicht verschmutzt bei Schmuddelwetter. Kirchenbänke gibt es nicht, alles spielt sich am Boden ab. Je nach Anliegen der Betenden bringen sie Opfergaben mit von Coca Cola!!!, über Trinkwasser zu Gemüse und lebenden Hühnchen. Ob die da in der Kirche geschlachtet werden oder anschließend zu Hause entzieht sich meiner Kenntnis. Heute Vormittag (ein gewöhnlicher Werktag) brannten wohl über Tausend Kerzen, Dutzende Familien und ebenso viele Einzelpersonen bevölkerte den Kirchenraum. An den Seitenwänden stehen Vitrinen mit Heiligenfiguren (prunkvoll bekleidet), rechts die männlichen, links die weiblichen, u.a. natürlich auch die Madonna von Guadelupe (die beliebteste überhaupt in Mexico). Wir sind ganz leise durch die Kirche geschlichen und haben einfach nur noch gestaunt und wären am liebsten unsichtbar gewesen. Lange konnten wir nicht bleiben, wir fühlten uns zu sehr als Voyeure.
Vor der Kirche fand wohl eine „Gemeindeversammlung“ statt. Die (vermutlich) Gemeinderäte der Gemeine standen in einem Pavillon und redeten, die männlichen Gemeindemitglieder standen drum herum. Die Frauen waren nicht geladen. Es war wie in Appenzell an der Landsgemeinde bevor auch dort das Frauenstimmrecht durchgesetzt werden konnte.
Die Männer tragen übrigens meist eine Art Poncho aus langfädiger Schafwolle (sieht ein bisschen wie ein Pelz aus). Die Frauen aus dem gleichen Stoff Röcke.
Der Rest des Tages ist schnell erzählt. Wir haben noch ein zweites Bergdorf ganz in der Nähe besucht. Das pure Kontrastprogramm, dort haben die Bauern mit dem Züchten und vermarkten von Blumen großen Erfolg, entsprechend ist der Wohlstand auch viel grösser und die Religiosität kleiner.
Das muss reichen für heute. Jetzt gehen wir all zusammen essen und verabschieden unseren Chauffeur und unseren Reiseleiter. Denn morgen geht’s über die Grenze nach Guatemala, dort werden wir einen Bus samt Chauffeur und einen neuen Reiseleiter kennen lernen.
Hasta luego
Heidi