Wir sind am Ziel

Liebe Leute,

ebenso „fahrplanmässig“ wie an jedem Tag in den vergangenen neun Monaten sind wir gestern in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, angekommen. Eigentlich nichts Spektakuläres. Rund 570 km legten wir zurück, kleiner Höhepunkt war die Überquerung der Magellanstraße mit einer Fähre, die uns nach Feuerland brachte. Etwas später der erste Blick auf den Beagle-Kanal, an dem Ushuaia liegt.

Dennoch war es ein besonderer Tag, denn wir sind am Ziel. Glücklich und auch etwas geschafft nach rund 50.000 Kilometern und rund neun Monaten auf den legendärsten Verbindungen der Welt, der Seidenstraße und der Panamericana. Bei der Einfahrt nach Ushuaia ließ ich ein Lied spielen, das Ihr garantiert kennt, auch wenn Ihr mit dem Sänger und dieser Art von Musik wenig am Hut habt: „Einmal um die ganze Welt“ von Karel Gott. Und Ihr könnt es glauben oder nicht, nicht nur mir wurden die Augen feucht in diesem Augenblick.

Danke für’s Mitreisen, Lesen und Kommentieren des Blogs, für das Gedanken- und Sorgen-Machen in Zeiten, in denen ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber – wir haben es geschafft, ohne dass etwas wirklich Gravierendes passiert ist! Was bedeutet es schon im Gesamtkontext, dass wir in Nord- und Mittelamerika auf unseren Bus verzichten mussten? Im Grunde haben uns die amerikanischen Behörden eine gute Gelegenheit gegeben zu zeigen, dass Avanti „Vorwärts!“ bedeutet.

Nachher feiern wir ein bisschen und morgen bringen wir einen Teil der Gruppe zum Flughafen. Die anderen begleiten uns die nächsten Tage noch bis nach Buenos Aires, von wo wir den Bus nach Hamburg verschiffen. Erst dann geht dieses Abenteuer wirklich zu Ende.

Danke allen, die diesen Traum ermöglicht haben:

Zu allererst den Chauffeuren Christian Seel und Stefan Reif, Umberto und Don José, Uli Lehmann und Sascha Böhnke. Anatoli Reklin für seine wunderbaren Fotos und das gute Gefühl, einen Busspezialisten an Bord zu haben. Ina!!!

Barbara und Hans-Gerd, Herrn Stokinger und Herrn Friedrich von Setra für die tatkräftige Unterstützung, Dieter Kuckluck, der uns den Weltreisebus verkauft hat.

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Avanti, die während unserer Abwesenheit alles souverän und zuverlässig geregelt haben. Es war sehr beruhigend, dieses tolle Team zu Hause am Werke zu wissen. Danke jedem und jeder von Euch, wir wissen, was Ihr geleistet habt!

Den Mitorganisatoren dieser Reise von AvenTOURa, Baikal-Express, china-by-bike, Hauser-Exkursionen und „unterwegs“ – die Reise GmbH.

Dem sagenhaften Bus von Setra, der uns vom ersten bis zum letzten Kilometer ohne die geringste Störung souverän durch alle Klimazonen sowie die abenteuerlichsten Pisten, Wege, Straßen und über die höchsten Pässe der Welt gebracht hat.

Nicht zuletzt und vor allem unseren Mitreisenden! Denn ohne sie hätten wir diesen Reise-Traum nicht verwirklichen können. Es muss Menschen geben, die ähnliche Träume haben oder sich anstecken lassen und bereit sind, sich einzulassen und das Abenteuer zu wagen.

Danke Euch allen!

Hans-Peter Christoph

PS: Eine „Best of Busweltreise“-Galerie gibt es auf unserer Facebook-Seite

 

Kolumbien – zurück zum roten Bus Teil 2

Endlich!

chef

Heute haben wir uns auf 9 Uhr beim Hafen verabredet, aber Ramon ruft mich kurz nach 8 Uhr im Hotel an und erklärt, dass noch Formulare ausgefüllt werden müssten, und dass ich besser im Hotel warten solle, bis er mir in vielleicht eineinhalb Stunden Bescheid gebe. Es sei aber alles in Ordnung, heute könne ich den Bus in Empfang nehmen. Um zehn ist es so weit, am Hotel stehen viele Taxen und ich kann losdüsen.

Heute, am Samstag, gibt es keinen Stau. Erstens haben viele Kolumbianer die gestrige Aufholjagd zum 3:3 gefeiert, wie ich den Freudengesängen am gestrigen Abend entnehmen konnte,  und liegen sicher noch im Bett. Außerdem sind wieder Mopeds, Roller und Motorräder unterwegs. Die Sonne scheint und verdampft die Riesen- Wasserlachen, die das gestrige Abendgewitter verursacht hat. Es war so stürmisch, dass ich mir überlegt hatte, wie lange es noch gehen würde, bis die Fensterscheiben in meinem Zimmer eingedrückt würden. Gefühlt hat es jetzt schon 50 Grad, und wenn ich heute Nachmittag zurück sein werde, sieht mein blaues Hemd aus wie gebatikt, aus so viele weisse Streifen von ausgeschwitztem, getrocknetem Salz sind darauf zu sehen! Ich bin hier in den Tropen, bitte nicht die Nase rümpfen. Das ist schon okay so für mich! In Freiburg ist  gefühlt bereits der Winter eingezogen, teilt man mir per SMS mit. Dann geht die Skifahrerei ja bald los! Schön für Euch! Wenn ich eine Abkühlung brauche, stürze ich mich ins karibische Meer vor meiner Haustür oder suche einen klimatisierten Raum auf. Hat alles Vor- und Nachteile!

Als ich beim Hafenbüro eintreffe, ist nur Elvira da – Ramon hat Kopfschmerzen. Von gestern habe ich noch meinen Besucherausweis, und so erübrigt sich die erste Stunde des Wartens. Auch sonst geht es verglichen mit gestern zügig vonstatten mit Papieren und zu leistenden Unterschriften. Dann sind wir auch schon fertig. Sonja fährt mich um den Block an ein anderes Tor. Ich muss meinen Pass abgeben, eine Unterschrift leisten (wer hätte das gedacht?), bekomme eine gelbe Warnweste und einen Helm verpasst. Dann heisst es warten auf den Mann, der mich zum Bus begleiten soll. Ein motorisiertes Dreirad fährt vor und bringt mich in ein Büro. Ich muss die Papiere vorzeigen, eine Unterschrift leisten und soll meine Passnummer daneben eintragen. Muss ich die inzwischen auswendig herunterbeten können? Denn mein Pass befindet sich am Eingangstor! Zum Glück habe ich ein Passkopie dabei.

Dann aber geht es zu dritt zum Bus. Wunderbar rot leuchtet er zwischen weissen, grauen, schwarzen LKWs, Aufliegern und Spezialfahrzeugen hervor. Wieso sind heute alle Nutzfahrzeuge grau, anthrazit und weiss? Vielleicht gibt es eine weltweite Vorschrift, von der ich noch nichts mitbekommen habe?

Ich laufe einmal herum, stelle auf den ersten Blick keine Schäden fest und lasse mich von meinem Begleiter vcr dem Bus fotografieren. Hatte ich Ute aus dem Avanti-Büro versprechen müssen! Den Helm darf ich dafür nicht abnehmen, auch die Warnweste nicht. Egal! Hinein in den Innenraum! Sah der Bus von außen ganz manierlich aus, erwartet mich hier ein erster Schock: Alles, was sich in Verbandskästen, in Taschen, Behältern oder Ablagen befand, liegt wild durcheinandergewirbelt auf den Sitzen und dem Boden! Das Armaturenbrett total verstaubt! Wo ist der Wackeldackel „Schwarzwaldi“, den wir zum Abschied geschenkt bekommen haben? Er ist weg. Und die Christophorusfigur aus Fatima, der Schutzpatron der Reisenden? Ist weg. Die fest installierte Handyhalterung? Weg. Dafür das reinste Chaos in den ersten Reihen und hinten bei den Tischen.

Ich möchte den Motor starten. Geht nicht. Ist vielleicht noch ein Gang eingelegt? Ich möchte den Schalthebel auf Neutral stellen, aber bei der ersten Berührung habe ich ihn in der Hand. Er ist herausgerissen. Wunderbar. Ich stecke ihn auf, finde den Leerlauf, der Motor startet. Wenigstens das. Aber der Schalthebel wackelt herum, ist nicht festzukriegen. Der Staubsauger ist ebenfalls weg, stelle ich fest.  Ich bin gespannt, was ich bei der Generalinspektion und beim sauber Machen noch alles vermissen werde!

Nicht verschwunden sind allerdings drei Flaschen Olivenöl, die noch aus Griechenland stammen für unsere Picknicks, der Kaffee, den wir in Kasachstan noch gekauft hatten, und den der chinesiche Zöllner abgreifen wollte, da sind auch die Waschbürste und Abzieher, die Kisten mit Tolis Werkzeug, wobei ich nicht über deren originalen Inhalt Bescheid weiss. Meine Laufschuhe sind da, die alten Wanderstiefel, die Tische fürs Picknick, mein Sonnenhut aus Spanien, und ein altes Jackett, das ich extra hängen gelassen hatte, damit es etwas zu stehlen gab, das ich nicht vermissen würde. Auch eine extra zum Stehlen deponierte Schachtel Zigaretten liegt an ihrem Platz. Was aber sonst noch fehlt, werde ich wohl erst nach und nach mitbekommen, wenn ich ganz routinemässig danach greifen möchte. Wie meine Baseballmütze, mit der ich meine Augen bei Sonneneinstrahlung beschatte, damit nicht ein heruntergelassenes Sonnenrollo die freie Sicht meiner Mitreisenden nach vorne behindert, wie mir eben einfällt. Die ist auch weg. Und das Funkmikrophon!

Der erste Eindruck ist ärgerlich und lässt gleichzeitig hoffen. Es hätte noch schlimmer kommen können. Gelegenheit macht Diebe. Wenigstens haben sie keine Delle reingefahren, wenn auch der Zustand des Schalthebels nicht darauf hindeutet, dass hier Profis am Steuer waren, sondern Gewalttäter. Ob auch die Kupplung malträtiert wurde, lässt sich später am Computer feststellen. Der erste Eindruck ist zwiespältig. Ich werde auf alle Fälle viel Arbeit haben, den Wagen wieder wohnlich herzurichten. Nur ein Frage der Zeit. Und was weg ist ist weg. Staubsauger kann man kaufen, der Rest, der fehlt, lässt sich hoffentlich ebenfalls sukzessive ersetzen – der kitschige Wackeldackel natürlich nicht. Saubande!

Als ich den Rückwärtsgang einlegen will, um aus meinem Parkplatz herauszufahren, geht er nicht rein. Ich kann machen, was ich will, es geht nicht. Aber bevor ich nun nach der ganzen Frustration einen Wutausbruch kriege, nehme ich die Verkleidung ab und sehe nach: Die Gewaltbehandlung des Schalthebels hatte zur Folge, dass ein Gelenk aus der Pfanne gedrückt wurde. Kein Problem, ein Handgriff und der Rückwärtsgang funktioniert.

Am Tor bekomme ich meinen Pass zurück, nachdem ich wieder einmal unterschrieben habe und zusätzlich einen Fingerabdruck abgenommen bekam zum krönenden Abschluss. Elvira lotst mich Richtung Zentrum – ja, ich fahre wieder!  Fahre den Bus, der uns nach Shanghai gebracht hatte, der nun so viele Wochen nicht dabei sein konnte, weil ein kleiner amerikanischer Zöllner seine Macht beweisen musste. Endlich wieder unser Bus, der uns nun zumindest noch den letzten Abschnitt wieder ein rollendes Wohnzimmer sein wird auf dem Weg nach Feuerland.

Jetzt steht er gut bewacht vor dem altehrwürdigen Hotel Caribe in Cartagena las Indias, das von der kolumbianischen Regierung zum Nationaldenkmal erklärt wurde und wartet auf Abenteuer. Bald gehen sie weiter!

Viele Grüße aus der Karibik

Hans-Peter Christoph

 

Kolumbien – Zurück zum roten Bus Teil 1

Liebe Leute,

Noch habe ich den Bus nicht gesehen. Aber er ist da. Und die Zolleinfuhr hab ich schon hinter mir! Ging nur einen Tag. Morgen, am Samstag, folgt der Rest. Den Bus meine ich natürlich!

Am Freitag um zehn holt mich Ramon, der Mensch, der sich um die Zollformalitäten kümmern soll, und den ich hier lieber anders nenne, im Hotel ab. Da Freitag ist, dürfen keine Motorräder und Mopeds auf den Straßen Cartagenas fahren, im Rathaus glaubt man, dadurch dem Verkehrschaos Herr werden zu können. Während wir uns eine gute Stunde die sechs Kilometer zu seinem Büro quälen, erklärt mir Ramon ausführlich die Ineffizienz und das Chaos im innerstädtischen Transportwesen. Einen geordneten Nahverkehr gibt es nicht, es sind größtenteils klapprige Midibusse, welche die Straße wie auch im Orient entlang zu düsen versuchen und auf Zuruf anhalten. Wenn sie düsen könnten … Sie stehen nämlich wie alle anderen in Stau und Gedränge. Weil das Ganze so wenig bringt, gibt es viele Moped- und Motorradfahrer, die gegen Bezahlung Leute mitnehmen und mit ihren Fahrzeugen die Lücken nutzen. Der Stadtverwaltung passt dies aber nicht, und so gibt es freitags ein Fahrverbot für Mopeds, Motorroller und Motorräder. Eine seltsame Logik. Und wieso am Freitag, weiss auch kein Mensch. Die Folge ist, dass freitags noch mehr Leute mit Auto und Taxi unterwegs sind und das Chaos perfektionieren.

Endlich in Ramons Büro in Hafennähe angekommen, sind viele Unterschriften zu leisten, bevor wir zusammen mit seiner Frau Elvira zum Zollgelände fahren. Ramon parkt draußen vor dem Tor, während ich Elvira folge. Und dann geht dann die Warterei los! Erst wird eine Passkopie gemacht, dann wird ein Besucherausweis ausgestellt – Dauer eine gefühlte Stunde. Warten im ersten Büro, während Elvira Formulare abstempeln lässt, die ich dann unterschrieben muss, Warten im nächsten, wieder eine Unterschrift. Drei Stunden. Gefühlt. Aber es ist erst zwölf. Dann geht es raus, mit dem Auto durch den Hafen und zum nächsten abgesperrten Gelände. Wieder Passkopie, warten, Besucherausweis, warten. Vierte Stunde.

Mein Blick schweift aus dem Fenster: Ein riesiger Leguan, mit seinem gezackten Rücken und dem gut eineinhalb Meter langen Schwanz unheimlich wie ein Drache, schiebt sich durch die Hecke, die den Parkplatz begrenzt auf uns zu, klettert züngelnd und behände einen Baum hoch und verschwindet auf dem Dach des Gebäudes. Nicht nur deswegen bin ich froh, im klimatisierten Amt zu sitzen, denn Cartagena liegt in den Tropen. Momentan ist Regenzeit. Was bedeutet, dass es hier mittags und oft gegen Abend etwa eine Stunde lang wie aus Kübeln schüttet und heftigst gewittert. Fünf Minuten später scheint aber schon wieder die Sonne und bringt alles zum Dampfen. Und wie! Die extreme Luftfeuchtigkeit und die Hitze der Tropensonne machen aus Cartagena eine Sauna.

Wie viele Menschen in der Stadt tragen auch hier viele Zollbeamten und Hafenangestellten ein Fußballtrikot. Um 16 Uhr beginnt das WM Qualifikationsspiel zwischen Kolumbien und Chile. Deshalb also. Das heisst aber auch, dass heute ab 16 Uhr kein Mensch mehr arbeitet. Und wir warten immer noch, während Elvira telefoniert, dann wieder einen Beamten belagert, und wieder telefoniert. Ich soll jetzt raus zu Ramon, bedeutet sie mir, in die Caféteria, in der es alles außer Kaffee gibt. Dort warte ich nun mit Ramon. Er ist Ende vierzig, hat mit Elvira zusammen fünf Jungs zwischen 16 und 27, und er erzählt vom Leben hier. Von der Korruption, von Vertreibungen der Landbevölkerung durch Todesschwadronen, den wirtschaftlichen Ballungsräumen, der schieren Unmöglichkeit, mit ehrlicher Arbeit ein Auskommen zu bestreiten. Ein späterer Blick auf Wikipedia bestätigt seine Schilderungen…

Elvira erscheint schließlich, es ist nun halb vier. Wir müssen zum Ausgang des Zollhofs gehen und dort warten, es gilt den Zollbeamten, der die finalen Unterschriften auf die Dokumente leisten soll, abzupassen. Eigentlich müsste er einen Blick auf den Bus werfen, die Fahrgestellnummer kontrollieren, die Gepäckräume, den Innenraum. Dass er das nicht machen würde, müssen Ramon und Elvira jedoch geahnt haben. Denn nun erscheint einer der Hafenarbeiter, der den Bus geparkt hat, mit seinem Handy und zeigt uns Fotos auf dem Display. Ja, es ist mein Bus. Immer wieder sehe ich mir die winzigen Bilder an. Mittlerweile hat das Länderspiel begonnen, wie wir am enttäuschten Geschrei hören, als das erste Tor für Chile fällt. Endlich kommt der Zöllner, sieht sich die Bilder flüchtig an, studiert meinen Pass, fragt, ob ich auch Bilder von dem Bus habe und lässt sich die Bilder auf meinem Handy zeigen, die ich noch in China gemacht hatte. Das wieder einsetzende Gebrüll der Fans im Hintergrund überzeugt ihn, dass es sich um den gleichen Bus handelt. Ohne persönliche Kontrolle setzt er seine Unterschriften unter die ganzen Formulare. Geschafft. Die Zollformalitäten sind erledigt. Der Rest kommt morgen dran. Den Bus sehe ich heute deshalb noch nicht. Wir müssen nur noch im Büro Formulare kopieren. Und unterschreiben. Und außerdem ruft der Fernseher.

Auf den ganzen Fahrten, die Ramon heute mit uns gemacht hatte, war er ausgesprochen träge und defensiv gefahren. Jetzt aber ist er verwandelt: Er drängelt und hupt, schneidet die Kurven, die Stimme des Sportreporters im Autoradio überschlägt sich, er fährt über den Bürgersteig, um an der Ampel die Pole Position einzunehmen, fliegt über die Schwellen, die den Verkehr abbremsen sollen, dass ich mir den Kopf anstoße. So sind wir schnell bei seinem Büro. Völlig abwesend stößt er die Tür zur benachbarten Kneipe auf, in der es wieder brüllt – und ist verschwunden. Drei zu Null für Chile. Welche Schmach. Elvira runzelt die Stirn, macht sich an die Arbeit und ich unterschreibe. Eigentlich wollte mich Ramon noch zurück ins Hotel bringen. Das lassen wir lieber, ich nehme ein Taxi. Das Spiel ging übrigens doch noch drei zu drei aus! Ramons mentale Unterstützung muss der Grund gewesen sein. Den Bus habe ich aber immer noch nicht in echt gesehen. Aber er ist da.

Bis morgen!

Hans-Peter

 

Neuigkeiten vom großen Roten

Liebe Leute,

wer aufmerksam in den Blog schaut und gelegentlich rechts in die Landkarte mit dem GPS-Tracking klickt, hat es bemerkt: Die Position unseres Setra hat sich verändert. Erst war auf dem Satellitenbild einen Tag lang eine veränderte Position in Panama zu sehen, und jetzt sendet er ein Signal aus Cartagena de las Indias in Kolumbien, dieser wunderschönen Kolonialstadt in der Karibik!

Wie kommt das so überraschend? Am Montag erreichte uns überraschend die Nachricht von der Reederei, dass das ursprünglich für den Transport aus Panama nach Kolumbien vorgesehene Schiff Verspätung habe und nicht rechtzeitig zum Start der Südamerikaetappe eintreffen würde. Was für eine Riesenenttäuschung! Nicht auch das noch!

Wir waren schon dabei, alle möglichen Alternativen auszuarbeiten und mögliche Szenarien durchzuspielen, als es am Dienstag hiess, es gäbe vielleicht noch an diesem Abend eine Möglichkeit zur Verschiffung, falls wir uns schnell entschlössen. Tatsächlich: Am Dienstagabend, als wir in San Juan del Sur im Hotel eintrafen, war die Email mit der Bestätigung da, dass die Verschiffung geklappt habe. So bin ich am Mittwoch mit dem Taxi nach Managua zum Flughafen gefahren, während sich unsere Gruppe nach Costa Rica aufmachte. Denn für die Einfuhr des Busses muss ich anwesend sein.

Mit einem Umstieg in Panama traf ich am späten Mittwochabend in Cartagena ein.

Jetzt ist es mitten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, vor zwei Stunden muss der Bus entladen worden sein, wie ich dem GPS entnehme.

Es war am 8. Juni am Nachmittag, dass ich den Bus im Hafen von Shanghai abgestellt hatte. Ich weiss noch, dass es so stark von oben geschüttet hatte, dass ich in meine Badehose schlüpfte, um den Bus mit Hilfe der Regengüsse zu waschen. Ich bin etwas verrückt in dieser Beziehung, ich weiss. Aber ich wollte den Setra die große Reise über den Pazifik sauber antreten lassen. Er hatte es verdient, so treu und zuverlässig, wie er uns nach Shanghai gebracht hatte! Nie hätte ich mir damals vorstellen können, dass es sooo lange gehen würde, bis ich ihn wieder sehen würde.

Nur am 11. Juli konnte ich in Tacoma/Washington von außerhalb des Zollgeländes noch einen kurzen Blick aus der Ferne auf ihn werfen, bevor er vom U.S. Zoll in einer Halle unter strengen Verschluss kam und ihm wochenlang die Einfuhr verweigert wurde. Danach stand er seit August zur Zwischenlagerung im Hafen von Panama. Aber jetzt ist er hier. Keine 6 Kilometer Luftlinie von meinem Hotel in Bocagrande entfernt. Endlich.

Morgen, am Freitag also, treffe ich den Zoll-Agenten und dann sehen wir weiter. In den nächsten Tagen sind die Formalitäten zu erledigen. Ich hoffe, den Bus dabei einmal inspizieren zu können. Ich bin gespannt, wie er die Transporte und Lagerorte der letzten Monate überstanden hat. Ich werde berichten.

Viele Grüße aus Cartagena

Juan-Pedro de la Carretera

 

Etwas für Zwischendurch…

Jemand da? Wie schön! Für alle, die auch jetzt, wo der Bus auf dem Frachtschiff unterwegs nach Alaska ist, ab und zu in den Blog schauen, haben wir ein hübsches Video vom Weltreisebus auf der Seidenstraße. Die spektakuläre Gegend ist im Westen Chinas in der Nähe von Turfan. Viel Spaß beim Anschauen und danke für Eure Treue!  Zum Video

Die längste Etappe

von Hans-Peter Christoph

Gestern Morgen in Shanghai war die Welt noch in Ordnung. Um halb sieben gingen wir runter zum Frühstück und bestellten auf halb acht ein Taxi, das uns zum Flughafen bringen würde. Pünktlich fuhren wir los, erreichten ohne Staus den Flughafen, hatten dort noch massig Zeit, bis unser Flieger ganz nach Plan um 11.55 h Ortszeit abhob. Pünktlich erreichten wir nach knapp 12 Stunden Flugzeit um 18.05 h MEZ Frankfurt.

Mit etwas Glück würden wir den Zug nach Freiburg um 18.53 h schaffen, der um 22.15 Uhr in Freiburg ankommen würde. Dachten wir. Dann würde es auch noch für ein kleines Bier im „Babeuf“ in der Nachbarschaft reichen.

Um 18.40 h sind wir auch schon am Schalter der Bahn, um unser Ticket nach Freiburg zu lösen. „Nehmen Sie den Zug um 19.53 h, der, der jetzt fahren soll, hat Verspätung und Sie erreichen den Anschluss in Mannheim nicht“, rät uns der freundliche Mann am Schalter. Machen wir, keine Frage, stärken uns in einem Bistrot und sind rechtzeitig am Gleis 5. Dort erfahren wir, dass der Zug um 19.53 h fünfundzwanzig Minuten Verspätung haben wird. Kein Problem, das kann vorkommen. Mit 25 Minuten Verspätung fahren wir auch gegen 20.20 h los, um dann gegen 21 Uhr aus unserem Dämmerschlaf gerissen zu werden. Denn mit der Zeitverschiebung sind wir mittlerweile bereits 27 Stunden auf den Beinen. Es rattert und schlägt, unschwer ist festzustellen, dass die Oberleitung gerissen ist, denn Kabel schlagen gegen Dach und Scheiben. Der ICE stoppt.

Und fährt auch für Stunden nicht mehr weiter. Um 1.10 h schließlich steht ein Nahverkehrszug auf dem Nebengleis bereit, die Reisenden des ICE nach Biblis zu bringen. Dort wartet ein anderer ICE, der schließlich gegen 3 Uhr morgens los fährt. Um 5.30 h sind wir endlich in Freiburg.

Das ist einfach nur genial. 65 Tage waren wir über 15 000 Kilometer quer durch zwei Kontinente unterwegs. Mit der Präzision einer Schweizer Uhr (wir hatten ja auch einige Schweizer dabei) hielten wir den Zeitplan Abschnitt für Abschnitt, Etappe für Etappe, Besichtigung für Besichtigung und Programmpunkt für Programmpunkt nahezu auf die Minute genau ein, selbst wenn wir dazu, wie an der usbekischen Grenze, einen fremden Bus anmieten mussten. Aber mit Hilfe der Bahn schafften wir es, auf den letzten 250 Kilometern von Frankfurt bis Freiburg unsere erste und einzige Verspätung, und dann gleich für siebeneinhalb Stunden, hereinzufahren.

Filmbeitrag: DB

Anmerkung der Redaktion: Willkommen zu Hause, mit allem, was dazu gehört – selbst die Verspätungen der DB. Schön, dass Ihr wieder hier seid!

 

Die Ruhe nach dem Sturm

von Hans-Peter Christoph

Fotos in diesem Beitrag: Hans-Peter Christoph und Ina Jander

Jetzt sind alle weg. Abgereist aus Shanghai. Teil 1 der Weltreise, die Fahrt von Europa quer durch Asien auf der Seidenstraße und bis an den Pazifik, geht zu Ende. Manche haben ihren Aufenthalt verlängert, sind nach Peking gefahren oder machen eine Kreuzfahrt auf dem Jangtse. Eine Teilnehmerin reist mit dem Frachtschiff zurück, aber die meisten sind ins Flugzeug gestiegen und befinden sich nun in der Luft oder sind bereits gelandet. Ina und ich bleiben noch einen Tag in Shanghai. Der Bus steht im Hafen und ist bereit für die Verschiffung nach Alaska. Ein paar Dinge sind noch zu erledigen und dann ist erst einmal Durchatmen angesagt.

Ja, es war eine schöne Reise, die, wie nicht anders erwartet, auch ihre anstrengenden Momente hatte – das war auch bei den beiden vorhergehenden Reisen über Land nach China nicht anders: eine solche Reise bucht man nicht, wenn man eigentlich einen  Erholungsurlaub bräuchte. Gute 65 Tage waren wir unterwegs, mit Höhen und Tiefen, guten und weniger guten Hotels, freundlichen, entgegenkommenden, aber auch Bestechungsgeld fordernden Zöllnern. Mit Polizisten, die uns dieses Mal kaum in die Tasche griffen, mit Landschaften, die uns teilweise den Atem raubten in ihrer Unendlichkeit, Weite und Kargheit ohne menschlichen Eingriff und ohne jede Bebauung über Hunderte von Kilometern. Diese unberührten Landschaften findet man in Europa nirgendwo mehr. Wüsten und Steppen sind für mich persönlich immer das Schönste. Ich könnte tagelang nur durch die Wüsten von Persien kreuzen und fahren und schauen und fahren und schauen, oder durch Kasachstan oder durch die schwarze Gobi, so geht mir jedes Mal das Herz über. Es war auch dieses Mal wieder wunderbar. Ich bin gespannt, was uns in dieser Hinsicht in Südamerika erwartet …

Wie immer gab es die Anspannung, wenn wir an Grenzen kamen und wir nicht wussten, wie die Zöllner uns hinhalten würden. Dieses Mal waren es die Usbeken, die einen neuen Rekord aufstellten, indem sie uns vier Tage lang die Einfuhr des Busses verwehrten. Es war unter diesen Umständen nicht immer ganz leicht, das jeweilige Tagesprogramm im Auge zu behalten, die Abläufe für Besichtigungen zu koordinieren, Pausen und ausreichend Ruhephasen zu gewährleisten. Dazu kam, dass es einige Hotels gab, die zwar den besten örtlichen Standard bedeuteten – aber weit von dem entfernt waren, was man bei uns unter einem guten Hotel versteht. Darauf hatten wir zwar immer wieder hingewiesen, aber nach einem an den Nerven zerrenden, langen Tag an der Grenze kam es doch zu manchen Enttäuschungen. Umso schöner war es dann, dass bald darauf wieder alle friedlich und fröhlich beisammen saßen und schließlich in China einige Hotels doch besser als erwartet waren und für einen gewissen Ausgleich für gelegentliche Frustrationen boten. Vielleicht müssen wir noch offensiver darauf hinweisen, dass ein vergleichsweise hoher Reisepreis nicht bedeutet, dass man durchgehend in Luxushotels nächtigt, sondern viele Faktoren die Kosten bestimmen.

Daneben gab es Hintergrundarbeit zu erledigen: viele E-Mails und Telefonate, die letztendlich aber die problemlose Einfahrt nach China ermöglichten. Eine permanente Ungewissheit blieb jedoch, denn wir konnten nicht abschätzen, wie schnell oder langsam die Zollformalitäten am Ende der Reise vonstatten gingen, denn das Schiff war gebucht, aber zolltechnisch noch nichts in trockenen Tüchern, weil das Meiste erst am Ziel erledigt werden konnte. Viele bürokratische Hürden stellten sich nämlich genau dann in den Weg, wenn man meinte, nun sei alles geregelt. Aber alles ging so weit gut!

Nun ist die erste große Etappe leider vorbei. Unser Hotel, das „Broadway Mansions“ , ein unter Denkmalschutz stehender Backsteinbau aus den Dreißiger Jahren im Stil der frühen amerikanischen Hochhäuser bietet den besten Blick auf den „Bund“ und die gegenüberliegende Skyline von Pudong. Auf der alten Eisenbrücke und vor dem ehemaligen Astoria-Hotel, in dem schon Marlene Dietrich und Albert Einstein wohnten, stehen die jungen Paare Schlange, um sich vor historischer Kulisse an ihrem Hochzeitstag ablichten zu lassen. Auch auf dem Bund sind viele Menschen unterwegs und auf der Nanjing Road ist fast kein Durchkommen. Das Drachenbootfest hat drei zusätzliche Feiertage gebracht, noch mehr Menschen als gewöhnlich schon sind draußen. Wer es ruhig und beschaulich mag, ist in chinesischen Großstädten am falschen Platz. Aber Halt, es gibt einen wunderbaren Ort zum Innehalten und Nachdenken: Den frühen Abend auf der Dachterrasse der Captain’s Bar, wenn unten die Schiffe auf dem Huangpo vorbeiziehen und die Leuchtreklamen auf den Hochhäusern von Pudong herüber zu blinken beginnen. In Shanghai zu sein ist wunderbar, vor allem, nachdem wir diesen Abschnitt so problemlos hinter uns gebracht haben. So wunderbar, wie es oft war auf den 15 267 Kilometern vom Konzerthaus in Freiburg in den Hafen von Shanghai.

Denn schön war es nicht nur der kulturellen und landschaftlichen Höhepunkte wegen, sondern weil sich wieder die richtigen Leute gefunden hatten, um diese Reise miteinander zu machen. Die Betonung liegt auf „miteinander“ … So viele unterschiedlichste Charaktere – und so viel Freude und Spaß miteinander! Dafür bin ich allen dankbar! Schön, dass Ihr dabei wart, ich freue mich schon darauf, viele von Euch am nächsten Stammtisch zu sehen. Vorfreude auch darauf, dass ein paar von Euch bei den nächsten Etappen wieder dazu stoßen!!!

Dankbar bin ich aber aber auch, dass nichts passierte, keine Krankheiten, außer der einen oder anderen Unpässlichkeit, wie sie in solch langen Zeiträumen immer auftreten kann. Kein Unfall oder Malheur, weder, wenn wir als Fußgänger unterwegs waren, noch in diesem von Europa so verschiedenen Straßenverkehr.

Der Setra läuft wunderbar und ohne den geringsten Mangel oder irgendeinen Defekt, allen Unkenrufern zum Trotz, die uns davor gewarnt hatten, mit einem nagelneuen Omnibus loszufahren und dazu noch mit dem ersten Exemplar, das von der neuen Serie vom Band gelaufen war. Aber da habe ich volles Vertrauen in Setra, den Hersteller in Ulm und Vertrauen in Toli, unseren Servicetechniker, falls es tatsächlich einmal ein Problem geben sollte. Und tatsächlich brauchten wir ihn. Nicht, weil am Bus irgendetwas nicht funktionierte, sondern wegen einem bzw. zwei Steinschlägen in der Frontscheibe. Ohne ihn hätten wir wahrscheinlich schon in Istanbul die Frontscheibe tauschen lassen müssen. Erst recht dann in Hami in China, als ein Auto einen Stein hochwirbelte, der mit Sicherheit zu ihrem Exitus geführt hätte, wäre Toli nicht mit seinem Scheibenreparatur-Kit bereit gestanden: Stunde um Stunde verarztete er sorgfältig und geduldig in einem Arbeitsgang nach dem anderen das Loch und die Risse, die sich schon zu bilden begannen, so dass nun nichts mehr von dem Loch zu sehen ist und die Scheibe bis Ushaia halten wird, vorausgesetzt, wir bleiben von weiteren Steinschlägen verschont. Der Bus läuft super und ganz ruhig, der Gesamtverbrauch lag auf dieser schweren Etappe bei 23,2 Litern im Schnitt, das ist unter Berücksichtigung des Streckenprofils und der Straßenverhältnisse ein geradezu sensationeller Wert. Inklusive der Standzeiten mit laufendem Motor, wenn wir unsere Staubsaugerorgien abhielten oder die Temperatur herunter kühlen mussten, damit nach einer Besichtigung unsere Leute keinen Hitzschlag bekamen, wenn sie wieder den Bus bestiegen, hatten wir einen Gesamtverbrauch von 24,9 Litern. Mal sehen, was die Zahlen ganz am Ende in Feuerland sprechen.

Jetzt ist die Spannung der vergangenen Wochen vorbei. Morgen fliegen wir zunächst nach Frankfurt, kehren nach Freiburg zurück und in ein paar Wochen geht es nach Alaska, um dort den Bus vom Schiff zu holen. Dann beginnt der für mich womöglich noch spannendere Teil, die Fahrt entlang der Panamericana. Denn das ist völliges Neuland für einen roten Bus und seine Fahrer.

Vielen Dank, dass Ihr dabei wart auf der Reise und daheim am Bildschirm! Bis bald!

Viele Grüße

Hans-Peter Christoph

Filmbeiträge:

von der Captains Bar aus gefilmt

von der Captains Bar gefilmt 2