Die Ruhe nach dem Sturm

von Hans-Peter Christoph

Fotos in diesem Beitrag: Hans-Peter Christoph und Ina Jander

Jetzt sind alle weg. Abgereist aus Shanghai. Teil 1 der Weltreise, die Fahrt von Europa quer durch Asien auf der Seidenstraße und bis an den Pazifik, geht zu Ende. Manche haben ihren Aufenthalt verlängert, sind nach Peking gefahren oder machen eine Kreuzfahrt auf dem Jangtse. Eine Teilnehmerin reist mit dem Frachtschiff zurück, aber die meisten sind ins Flugzeug gestiegen und befinden sich nun in der Luft oder sind bereits gelandet. Ina und ich bleiben noch einen Tag in Shanghai. Der Bus steht im Hafen und ist bereit für die Verschiffung nach Alaska. Ein paar Dinge sind noch zu erledigen und dann ist erst einmal Durchatmen angesagt.

Ja, es war eine schöne Reise, die, wie nicht anders erwartet, auch ihre anstrengenden Momente hatte – das war auch bei den beiden vorhergehenden Reisen über Land nach China nicht anders: eine solche Reise bucht man nicht, wenn man eigentlich einen  Erholungsurlaub bräuchte. Gute 65 Tage waren wir unterwegs, mit Höhen und Tiefen, guten und weniger guten Hotels, freundlichen, entgegenkommenden, aber auch Bestechungsgeld fordernden Zöllnern. Mit Polizisten, die uns dieses Mal kaum in die Tasche griffen, mit Landschaften, die uns teilweise den Atem raubten in ihrer Unendlichkeit, Weite und Kargheit ohne menschlichen Eingriff und ohne jede Bebauung über Hunderte von Kilometern. Diese unberührten Landschaften findet man in Europa nirgendwo mehr. Wüsten und Steppen sind für mich persönlich immer das Schönste. Ich könnte tagelang nur durch die Wüsten von Persien kreuzen und fahren und schauen und fahren und schauen, oder durch Kasachstan oder durch die schwarze Gobi, so geht mir jedes Mal das Herz über. Es war auch dieses Mal wieder wunderbar. Ich bin gespannt, was uns in dieser Hinsicht in Südamerika erwartet …

Wie immer gab es die Anspannung, wenn wir an Grenzen kamen und wir nicht wussten, wie die Zöllner uns hinhalten würden. Dieses Mal waren es die Usbeken, die einen neuen Rekord aufstellten, indem sie uns vier Tage lang die Einfuhr des Busses verwehrten. Es war unter diesen Umständen nicht immer ganz leicht, das jeweilige Tagesprogramm im Auge zu behalten, die Abläufe für Besichtigungen zu koordinieren, Pausen und ausreichend Ruhephasen zu gewährleisten. Dazu kam, dass es einige Hotels gab, die zwar den besten örtlichen Standard bedeuteten – aber weit von dem entfernt waren, was man bei uns unter einem guten Hotel versteht. Darauf hatten wir zwar immer wieder hingewiesen, aber nach einem an den Nerven zerrenden, langen Tag an der Grenze kam es doch zu manchen Enttäuschungen. Umso schöner war es dann, dass bald darauf wieder alle friedlich und fröhlich beisammen saßen und schließlich in China einige Hotels doch besser als erwartet waren und für einen gewissen Ausgleich für gelegentliche Frustrationen boten. Vielleicht müssen wir noch offensiver darauf hinweisen, dass ein vergleichsweise hoher Reisepreis nicht bedeutet, dass man durchgehend in Luxushotels nächtigt, sondern viele Faktoren die Kosten bestimmen.

Daneben gab es Hintergrundarbeit zu erledigen: viele E-Mails und Telefonate, die letztendlich aber die problemlose Einfahrt nach China ermöglichten. Eine permanente Ungewissheit blieb jedoch, denn wir konnten nicht abschätzen, wie schnell oder langsam die Zollformalitäten am Ende der Reise vonstatten gingen, denn das Schiff war gebucht, aber zolltechnisch noch nichts in trockenen Tüchern, weil das Meiste erst am Ziel erledigt werden konnte. Viele bürokratische Hürden stellten sich nämlich genau dann in den Weg, wenn man meinte, nun sei alles geregelt. Aber alles ging so weit gut!

Nun ist die erste große Etappe leider vorbei. Unser Hotel, das „Broadway Mansions“ , ein unter Denkmalschutz stehender Backsteinbau aus den Dreißiger Jahren im Stil der frühen amerikanischen Hochhäuser bietet den besten Blick auf den „Bund“ und die gegenüberliegende Skyline von Pudong. Auf der alten Eisenbrücke und vor dem ehemaligen Astoria-Hotel, in dem schon Marlene Dietrich und Albert Einstein wohnten, stehen die jungen Paare Schlange, um sich vor historischer Kulisse an ihrem Hochzeitstag ablichten zu lassen. Auch auf dem Bund sind viele Menschen unterwegs und auf der Nanjing Road ist fast kein Durchkommen. Das Drachenbootfest hat drei zusätzliche Feiertage gebracht, noch mehr Menschen als gewöhnlich schon sind draußen. Wer es ruhig und beschaulich mag, ist in chinesischen Großstädten am falschen Platz. Aber Halt, es gibt einen wunderbaren Ort zum Innehalten und Nachdenken: Den frühen Abend auf der Dachterrasse der Captain’s Bar, wenn unten die Schiffe auf dem Huangpo vorbeiziehen und die Leuchtreklamen auf den Hochhäusern von Pudong herüber zu blinken beginnen. In Shanghai zu sein ist wunderbar, vor allem, nachdem wir diesen Abschnitt so problemlos hinter uns gebracht haben. So wunderbar, wie es oft war auf den 15 267 Kilometern vom Konzerthaus in Freiburg in den Hafen von Shanghai.

Denn schön war es nicht nur der kulturellen und landschaftlichen Höhepunkte wegen, sondern weil sich wieder die richtigen Leute gefunden hatten, um diese Reise miteinander zu machen. Die Betonung liegt auf „miteinander“ … So viele unterschiedlichste Charaktere – und so viel Freude und Spaß miteinander! Dafür bin ich allen dankbar! Schön, dass Ihr dabei wart, ich freue mich schon darauf, viele von Euch am nächsten Stammtisch zu sehen. Vorfreude auch darauf, dass ein paar von Euch bei den nächsten Etappen wieder dazu stoßen!!!

Dankbar bin ich aber aber auch, dass nichts passierte, keine Krankheiten, außer der einen oder anderen Unpässlichkeit, wie sie in solch langen Zeiträumen immer auftreten kann. Kein Unfall oder Malheur, weder, wenn wir als Fußgänger unterwegs waren, noch in diesem von Europa so verschiedenen Straßenverkehr.

Der Setra läuft wunderbar und ohne den geringsten Mangel oder irgendeinen Defekt, allen Unkenrufern zum Trotz, die uns davor gewarnt hatten, mit einem nagelneuen Omnibus loszufahren und dazu noch mit dem ersten Exemplar, das von der neuen Serie vom Band gelaufen war. Aber da habe ich volles Vertrauen in Setra, den Hersteller in Ulm und Vertrauen in Toli, unseren Servicetechniker, falls es tatsächlich einmal ein Problem geben sollte. Und tatsächlich brauchten wir ihn. Nicht, weil am Bus irgendetwas nicht funktionierte, sondern wegen einem bzw. zwei Steinschlägen in der Frontscheibe. Ohne ihn hätten wir wahrscheinlich schon in Istanbul die Frontscheibe tauschen lassen müssen. Erst recht dann in Hami in China, als ein Auto einen Stein hochwirbelte, der mit Sicherheit zu ihrem Exitus geführt hätte, wäre Toli nicht mit seinem Scheibenreparatur-Kit bereit gestanden: Stunde um Stunde verarztete er sorgfältig und geduldig in einem Arbeitsgang nach dem anderen das Loch und die Risse, die sich schon zu bilden begannen, so dass nun nichts mehr von dem Loch zu sehen ist und die Scheibe bis Ushaia halten wird, vorausgesetzt, wir bleiben von weiteren Steinschlägen verschont. Der Bus läuft super und ganz ruhig, der Gesamtverbrauch lag auf dieser schweren Etappe bei 23,2 Litern im Schnitt, das ist unter Berücksichtigung des Streckenprofils und der Straßenverhältnisse ein geradezu sensationeller Wert. Inklusive der Standzeiten mit laufendem Motor, wenn wir unsere Staubsaugerorgien abhielten oder die Temperatur herunter kühlen mussten, damit nach einer Besichtigung unsere Leute keinen Hitzschlag bekamen, wenn sie wieder den Bus bestiegen, hatten wir einen Gesamtverbrauch von 24,9 Litern. Mal sehen, was die Zahlen ganz am Ende in Feuerland sprechen.

Jetzt ist die Spannung der vergangenen Wochen vorbei. Morgen fliegen wir zunächst nach Frankfurt, kehren nach Freiburg zurück und in ein paar Wochen geht es nach Alaska, um dort den Bus vom Schiff zu holen. Dann beginnt der für mich womöglich noch spannendere Teil, die Fahrt entlang der Panamericana. Denn das ist völliges Neuland für einen roten Bus und seine Fahrer.

Vielen Dank, dass Ihr dabei wart auf der Reise und daheim am Bildschirm! Bis bald!

Viele Grüße

Hans-Peter Christoph

Filmbeiträge:

von der Captains Bar aus gefilmt

von der Captains Bar gefilmt 2