Gut gegen Kälte: ein Discoabend in 2200m Höhe

Nach einer Fahrt durch Hagel-und Schneeschauer bei Blitz und Donner über kühne Brückenkonstruktionen und durch lange Tunnel kommen wir zum Sairamsee, Außentemperatur 3 Grad, Zimmertemperatur gefühlte 10 Grad…
In den Zimmern gibt es nur stundenweise Strom und (Heiß-)Wasser, dafür aber wird ein tolles Abendessen aufgetischt:

Bis zu 12 Schüsseln mehr oder weniger scharfer wohlschmeckender Gerichte landen auf einer drehbaren Glasplatte und werden von uns durchprobiert, wobei jeder neue Schwung der Platte unsere diversen Tee-, Rotwein- und Schnapsgläser gefährdet… Allmählich entledigen wir uns unserer Anoraks und dicken Jacken und tauen im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf.

Da kommt Martha auf die Idee nach einer Musikvorführung auf traditionellen Instrumenten zu fragen. Die gibt es nicht, aber zwei junge Männer führen uns nach Musik vom Handy kasachische Tänze vor und wir können ihre anmutigen geschmeidigen Bewegungen nur bewundern.
Doch nicht genug damit! Am Ende tanzen wir alle – Jung und Alt, chinesische Kasachen oder Deutsche – und gehen beschwingt und aufgewärmt in unser – leider – eiskaltes Bett.

Adelheid

Noch ein Nachtrag: Heinrich Heine in Samarkand

von Estella

Abendsonne.
Sie taucht den Registan in märchenhaftes Licht, die Kuppeln der Moscheen flammen auf, kantig schneiden sich die Medresen in den marineblauen Himmel, rosa leuchtet das Tigerhaus.
Vier Frauen sitzen vor diesem Schauspiel und staunen. Ich frage, ob ich die Legende von Bibi-Chanym, Timurs Lieblingsfrau, die durch eine List ihr Leben gerettet hat, erzählen soll (wegen vermeintlicher Untreue soll sie vom Minarett gestürzt werden, ihr letzter Wunsch, all ihre Lieblingskleider anziehen zu dürfen, wird ihr gewährt, und so schwebt sie in ihren Seidenkleidern sanft zur Erde).
Mittendrin merke ich, wie sich Zuhörer um uns scharen. Die jungen Männer warten das Ende der Geschichte ab, nähern sich einer nach dem anderen und fragen in tadellosem Deutsch höflich, woher wir kommen und ob es uns hier gefällt. Schnell entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns und den fünf usbekischen Germanistikstudenten. Wir sind beeindruckt von ihren Sprachkenntnissen, und in der deutschen Literatur kennen sie sich auch aus. Sie nennen Lessing, Goethe, Heine. Einer beginnt zu zitieren, die anderen helfen weiter, wenn er stockt: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin? Ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn…“ Wir Frauen fangen an zu singen, die Studenten fallen zögernd ein. Alle Achtung, sie sind textsicherer als wir! Wir helfen uns wechselseitig: sie uns mit dem Wortlaut der ersten und der dritten Strophe, wir ihnen mit der Melodie. Das ist Kulturaustausch!

P.S.: Als ich nach Sonnenuntergang bei der Ton- und Licht-Show noch einmal auf dem Registan bin, werde ich wieder von einem Germanistikstudenten angesprochen. Und dieses Mal singen wir hingebungsvoll alle drei Strophen der Loreley. Der leise Akzent gegen das Gedröhne aus den Lautsprechern tut wohl.

Estella

Post aus Urumqi

von Adelheid
Das ist also Urumqi, in dem Sven Hedin ca. 1930 über ein halbes Jahr fest saß, weil irgendein Gebietsfürst ihn nicht weiterziehen ließ, eine moderne Stadt mit vielen Hochhäusern und viel Verkehr. Die noch existierenden kleinen Strassen mit zahlreichen Imbissständen konnten wir allerdings fast hautnah entdecken, als der Bus sich auf Grund einer Umleitung gestern hindurch quälen musste und es lange dauerte,bis wir endlich unser Hotel erreichten。
Heute morgen haben wir wieder einmal bunte Märkte besucht, typisch chinesische und uigurische Produkte angesehen oder ausprobiert wie zahlreiche Heilkräuter, Ginseng  Heilpilze, Geweihe in Scheiben geschnitten als Potenzmittel, Jadeschmuck in den unterschiedlichsten Preislagen, schöne Trockenfrüchte – bekannte und unbekannte – , und schließlich sah ich auch eine Post, wo ich Briefmarken  kaufen wollte, um einige der nicht versprochenen Ansichtskarten zu schreiben. Das war ein Erlebnis für sich!
Niemand sprach Englisch oder wusste, wo Germany in Europe liegt, doch zwei freundliche Uiguren halfen mir. Zuerst sollte ich Ansichtskarten kaufen, die wie Postkarten bei uns bereits mit Porto versehen waren. Dazu musste sich der Beamte herbequemen, der aber kein Geld (chinesisches wohlgemerkt) wechseln konnte. Auch das erledigten die beiden für mich. Dann ging es an einen anderen Schalter, weil noch zusätzliche Briefmarken vonnöten waren. Die bekam ich aber nicht in die Hand gedrückt  sondern sie wurden von einer Beamtin sorgfältig mit Klebestift aufgeklebt –  aber erst, nachdem ich die Karten geschrieben hatte; denn die durften nur auf diesem Postamt aufgegeben werden.
Doch was tun ohne Adressbuch? 5 Adressen „schaffte“  ich aus dem Gedächtnis  schrieb einen kurzen Gruß und eilte zurück zum ausgemachten Treffpunkt, um mit den anderen per Taxi (Horror!) zum Hotel zurück zu fahren.
Adelheid