Von Ina
Unser Bus soll am 11. Juli in Tacoma / Seattle ankommen und muss dort registriert werden. Deshalb fliegen wir am zehnten in die USA. Kurz nach fünf Uhr morgens verlassen wir Freiburg und kommen schon um halb eins mittags in Seattle an, daheim ist es allerdings schon 21.30 Uhr, die Zeitdifferenz beträgt neun Stunden.
Die Einreise verläuft völlig unspektakulär, dabei hatten wir uns im Vorfeld einige Sorgen gemacht, jeder wusste aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen eine andere schlimme Geschichte zu berichten von der Unfreundlichkeit, der Strenge und Humorlosigkeit der Immigration Officers. Wir beide hatten keinen „ordentlichen“ Rückflug vorzuweisen und waren nicht sicher, ob man uns die Story von der Busweltreise abnehmen würde. Aber das alles war dann gar nicht wichtig: der junge Officer schien eher gelangweilt als streng und unmenschlich, wir mußten zwar die Abdrücke aller zehn Finger abgeben (NICHT auf schwarzer Stempelfarbe!), die Schuhe durften wir aber anbehalten, wurden nicht mehr abgetastet, mussten auch das Gepäck nicht mehr öffnen und sogar mein selbstgenähtes Dinklespreureisekopfkissen war nicht dem Landes-Seuchenschutz zum Opfer gefallen. Wir waren erleichtert, trotz Hans-Peters unschöner Vermutung, dass wir wahrscheinlich viel zu seriös und alt wirkten um irgendwie irgendjemandes Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Wirklich nicht schön. Aber wir sind drin!
Sobald wir die Telefone einschalten dürfen, ruft Hans-Peter beim Hafenmeister in Tacoma an, er will wissen wie es mit dem Bus steht. Aber vor morgen Mittag geht da nix.
Also nicht zum Hafen, sondern im Mietwagen zum Hotel. Es ist einfach sehr entspannend, mit einem Berufsfahrer unterwegs zu sein! Hans-Peter kann sofort mit dem Automatikgetriebe und dem Navi umgehen, auch der Verkehr des uns noch fremden Landes schreckt ihn nicht, er geht gleich auf die Überholspur. Wir verfahren uns nur ganz wenig und sind um drei Uhr nachmittags (bei euch Mitternacht) im Hotel.
Seattle ist eine schöne Stadt, auf uns wirkt sie sehr europäisch, es gibt viele kleine Geschäfte, die Menschen sind gekleidet wie bei uns und kommen uns sehr vertraut vor (was hatte ich mir vorgestellt?!), unten am Wasser steht eine lange Markthalle mit sehr guten Lebensmitteln, überall Restaurants, die Preise recht gehoben. Oder kommt uns das nach Asien nur so vor? Wir machen aber nur einen kleinen Bummel, sind recht müde und nicht mehr so aufnahmefähig. Auch Essengehen überfordert uns jetzt. Deshalb trinken wir in einem winzigen, liebevoll gestaltetem Gartenlokal zwischen Hochhäusern ein Gläschen Wein. Die Karte bietet etliche europäische Weine, wir würden gerne einen aus der Gegend trinken und denken dabei an Kalifornien. Der Chef erklärt nicht ohne Stolz, dass er auch Weine aus Washington (dem hiesigen Bundesstaat) hat, den probieren wir gerne. Mein Rosé ist gut, Hans-Peters Roter hat eine Farbe und den Geschmack wie „früher – selbstgemacht“, aber gut. Unsere interessierte Frage, seit wann denn im Staate Washington Wein angebaut wird, versteht der Scheff möglicherweise etwas falsch, denn er reagiert ganz leicht angestochen: oh, schon seit den Siebzigern werde hier Wein gemacht „and so it has quite a history and is quite developed“. Wir hatten nicht europäisch überheblich sein wollen.
Während ich das schreibe, sitze ich seit mehr als 3 Stunden im Hafen von Tacoma im Auto, direkt hinter dem Eingang zu Terminal 7. Natürlich konnte Hans-Peter heute morgen nicht bis Mittag warten (der Bus ruft!), sondern wir brachen nach dem Frühstück nach Tacoma auf. Der Bus ist über GPS zu orten, wir wissen also genau wo er steht. Dort fahren wir hin und stehen nun also an Terminal 7. Wir können den Bus sehen, es liegen nur ca. 300 m Luftlinie zwischen ihm und uns, aber wir dürfen nicht zu ihm. Das tut fast ein bisschen weh. Hans-Peter führt unendliche Telefonate mit vielen Leuten, es scheint ihn einer an den anderen zu verweisen, die einen sind in Besprechungen, die anderen in der Pause, wieder andere können erst in Aktion treten, wenn der Frachtbrief abgegeben ist! Und genau deshalb sind wir hier, wir möchten den Frachtbrief an die richtige Person übergeben. Aber das ist außerordentlich schwierig. Keiner will ihn haben. Ich bewundere Hans-Peters Ruhe und Geduld während der Gespräche, er läßt sich nicht anmerken, wie angespannt er tatsächlich ist.
Also gehen wir erstmal Mittagessen in einen Diner „down the road“ und stellen beide fest, dass solche Kneipen überall sehr ähnlich sind, das Essen zwar nicht fein, aber oft gut und herzhaft, die Wachstischdecke ebenso klebrig wie die Pfeffer- und Salzstreuer, dafür ist die Bedienung sehr freundlich und familiär, die Gäste nett und äußerst hilfsbereit und auskunftsfreudig. Und dass wir uns in diesem Augenblick, wo alles andere so kompliziert ist, hier sehr wohl fühlen.
Inzwischen sind noch viele weiter Stunden vergangen, bei Terminal 7 war auch nach dem Essen nichts zu erreichen, so sitzen wir nun im Wartezimmer der Port Clinic, Hans-Peter muss sich einem Gesundheitscheck unterziehen, damit er in den USA Busfahren darf. Man hat uns auf eine gewisse Wartezeit vorbereitet, da er ja keinen Termin hatte …
Wenigstens gibt es hier im Hafen jede Menge Lastwagen, Trucks, zu bewundern, auf die HP sich so gefreut hatte. Aber er ist fast enttäuscht, er hatte sie sich viel größer und imposanter vorgestellt. Aber „der Sound ist gut!“. Immerhin.