von Hans-Peter Christoph
Wir rollen langsam auf die Grenze eines zentralasiatischen Landes zu, die lange Schlange der wartenden LKWs vor dem Schlagbaum überholend, der den Weg in den eigentlichen Zollhof blockiert. Neben dem vordersten LKW halte ich an. Soldaten, die die Grenze bewachen bedeuten mir, zu ihnen kommen. Händeschütteln reihum, „Welcome to ???-stan, Kontroll Maschinpassport“ heisst es. Ich hole meine Mappe mit den Papieren und wir gehen ins Häuschen des Schlagbaumwächters mit der großen Mütze und dem massigen Körper. So gut es geht unterhalten wir uns darüber, woher wir kommen und wohin wir fahren, welche Landsleute dabei sind und wie lange die Reise dauert. Zigaretten werden angeboten und ausgetauscht, ich bekomme einen Tee. Den „Maschinpassport“, also den Fahrzeugschein, interessiert keinen mehr. Eine gelöste Atmosphäre ist das, Zeit spielt keine Rolle. Dass meine Mitreisenden draußen im Bus sitzen und warten müssen, ist egal.
Nach etwa einer halben Stunde leert sich der Raum, ich bin alleine mit dem dicken Chef. Nun zeigt er mir auf den Fotos seines Smartphones seine zwei Kinder, die alle studieren und viel Geld kosten. Ich kann ihn mit vier Kindern zwar locker übertrumpfen, aber die Deutschen seien doch so reich, meint er. Er dagegen sei ein armes kleines Grenzwürstchen mit vielen Problemen. Das verstehe ich nur zu gut und weiss nun, worauf er wartet. Versuche erst mit zwanzig, dann mit vierzig, schließlich mit achtzig Dollars, seine Nöte zu lindern. Bei Hundert schließlich scheint er seiner Sorgen ledig, er strahlt, nimmt mich in den Arm, drückt mich, küsst mich links und rechts auf die Wange und wünscht uns gute Reise. Der Schlagbaum öffnet sich.
Darauf ein Hans-Bier!