„Kaffee Malerei“ von Jogi Meyer-Sieger

Obwohl der rote Avanti-Bus noch im Niemandsland zwischen Turkmenistan und Usbekistan steht – so haben wir doch Muße und Lust, in Buchara herumzuschlendern. In einem Seitengässchen des
Basars sitzt eine junge Frau an ihrer Malerarbeit – Aquarell, Mosaikzeichnungen und hellbraun getönte Bildchen mit Stadtansichten von Buchara. Ein Aquarell erinnert mich wegen der in sich verlaufenden Farben an die Malerei meiner vor 4 Jahren verstorbenen Mutter, die in hohem Alter wieder mit Malen begonnen hat:
durch Wasserverlaufstechnik entstehen ineinander verlaufende Farben ohne scharfe Abgrenzung – und so komme ich mit der jungen Usbekin, die sich als „Madina“ vorstellt, über dieses Bild ins Gespräch. Sie braucht für eine kleine Mosaikmalerei fast eine Woche, deshalb malt sie mehr kleine Aquarelle, was für sie einfacher und finanziell ergiebiger sei, und eben diese braunen Bilder. Sie erklärt mir, dass sie diese Arbeit mit Kaffee macht, mit aufgelöstem Nescafé ! Dadurch entstehen Farben, die dem Wüstensand und der Farbe der hiesigen Mauerziegel verblüffend ähnlich sind. Und diese Technik habe sie von ihrem Vater gelernt, der vor 5 Jahren verstorben sei. – Oh ja, sinnieren wir , vielleicht sitzen diese beiden , Madinas Vater und meine Mutter, irgendwo auf einer Wolke im All, unterhalten sich über ihre Malerei und lauschen unserem Gespräch…..eine Vorstellung, die uns beiden Menschen aus verschieden Erdteilen auf dieser kleinen Welt sehr gut gefällt!
Und selbstverständlich erstehe ich ein Kaffeebild, das Madina noch mit einer persönlichen Signatur mit ihrem Pinsel aus feinstem Katzenhaar versieht.
Ich freue mich, dass dieses Bild bei mir zuhause zwischen den Bildern meiner Mutter eine nette Erinnerung sein wird.

Taxifahren im Iran

von Mandy/ W. Nussbaumer

Zwischen Naien und Khoor rollt der Bus durch die topfebene Wüste, die Strasse schnurgerade bis zum Horizont voller karger Berge. Gelegentlich überholen wir einen älteren Mercedes-Tanklaster mit Schnauze oder einen neuen Volvo und begegnen einem großen, vollbeladenen „Mack“-Truck aus den 70-ern.

Ein ganz anderer Verkehr als in den Städten.

Beobachtet man dort den Straßenverkehr vom Gehweg aus, kann man vorgewarnt sein: Verkehrsregeln stellen dort gelegentlich eher allgemeine Anregungen dar. Natürlich gilt Rechtsverkehr auch und besonders auf den 4- und 6-spurigen Durchgangsstraßen, auf denen schneller und dichter Verkehr rollt oder auch steht – aber nicht zwingend für den Mopedfahrer, der gerade mal in die andere Richtung will. Fährt der nur am Fahrbahnrand entgegen der Fahrtrichtung, wünscht man ihm Glück. Die Beobachtung eines Motorrad-Wendemanövers auf einer 6-spurigen Hauptverkehrsstraße über alle 6 Spuren zur Stoßzeit nötigt dem Westeuropäer aber nur noch Bewunderung ab. Und natürlich sind auch in Täbris und Teheran die Gehwege für die Fußgänger da– aber wenn auf der Strasse nichts mehr geht, eben auch einmal für die mehrköpfige Familie auf dem Motorrad. Ein Zebrastreifen hat eigentlich die gleiche Funktion wie überall auf der Welt – für die gewieften Fußgänger in Teheran sind sie aber eher die Markierung eines Sammelpunktes, an dem sich ein Trupp Verwegener sammelt, um sich unter Führung eines mutigen Leittiers in den Verkehrsstrom zu stürzen. Natürlich gibt es auch Individualisten, die wie Tänzer zwischen Motorrädern, iranischen Saipas, unzähligen Peugeot 405 und gelben Taxis Fahrspur um Fahrspur überqueren. Gelegentlich sieht man Stoiker, die in blindem Gottvertrauen loslaufen und auch irgendwie angekommen sind, wenn der entsetzte Beobachter wieder die Augen zu öffnen wagt.

Überhaupt, Taxifahren  (der Leser bemerkt, dass der Verfasser das Thema noch im Blick hat):  Im Taxi kann nichts passieren und dem Taxi passiert nichts. Das in Deutschland bekannte Prinzip der „eingebauten Vorfahrt“ wurde im Iran vervollkommnet. Darum schaut der Taxifahrer in Täbris auch entrüstet, als ich mich auf dem Beifahrersitz anschnalle und bedeutet mir unmissverständlich, in seinem ganz mit schwarzen Kunstfell ausgeschlagenen Saipa sei ich auch unangeschnallt sicher. Er fährt zügig auf jede sich im Verkehr bietende Lücke zu, gerne auch mal rechts (Hupe!) an Rechtsabbiegern und geradeaus (Huuuupe !) zwischen zwei Linksabbiegern durch und liefert uns wohlbehalten ab. Fahrpreis wie vereinbart 40.000 Rial = ca. € 1,00.

Ich könnte jetzt auch von einer zweiten Fahrt in Teheran berichten, müsste dann aber wahrheitsgemäß zugeben, dass sie völlig unspektakulär war und sich sogar der Fahrer anschnallte.

Das wird aber absolut wettgemacht durch eine Fahrt in Isfahan: Wir fahren mit mehreren Taxis vom (wunderbaren) Abbasi-Hotel zu einer armenischen Kirche und Kulturzentrum. Unser Fahrer fährt als einer der letzten los, kommt aber als erster an. Die Hupe ist das wichtigste Fahrzeugteil. Nutzung selbst kleinster Lücken:siehe oben! Dabei erahnt der Meister Lücken, bevor sie sichtbar sind bereits in der Entstehung. Andere Verkehrsteilnehmer sind ohnehin nur virtuell vorhanden und werden sich im Fall eines Zusammenstoßes sicher in Luft auflösen. Das gilt für Autos und Motorradfahrer (auch mehrköpfige Familien mit Gepäck) sowieso. Lastwagen werden murrend respektiert. Fußgänger, die die Strasse überqueren, müssen dagegen gezielt anvisiert werden. Ein zusätzliches Beschleunigen und Hupen signalisiert: ich bremse nicht, stell dich darauf ein! Der Fahrgast wird ungläubiger Beobachter eines Realität gewordenen Videospiels, bei dem es für das Treffen unterschiedlich großer Objekte vermutlich unterschiedliche Punktzahlen gibt. Am Ende der Fahrt sagt Achim in Ermangelung iranischer Sprachkenntnisse respektvoll: „Schuhmacher !!“ Der Meisterfahrer versteht und nickt erst.

 

 

Ausflug nach Maragheh

Wegen einer Regierungskonferenz in unserem Superhotel in Isfahan bleiben wir einen weiteren Tag in Täbriz und werden dafür nur einmal im Wallfahrtsort Mashad nächtigen.
Wie sollen wir diesen geschenkten Tag verbringen?
Um 9.30 Uhr treffen wir uns im Bus, für uns ist es eine Fahrt ins Blaue, nur Reza kennt das Ziel. Er lotst uns am Urümyehsee vorbei, dem „mindestens zweitgrößten Salzsee der Welt“, über Bonab nach Maragheh.
Reza beantwortet uns unterwegs geduldig viele Fragen zum Iran. Über das Gesundheits- und das Bildungssystem, über die bevorstehenden Wahlen und wie die Kandidaten sich bekannt machen, über das durchschnittliche Einkommen von ca. 100 €, über Mieten und Wohneigentum, über die Möglichkeit von Ausländern, Eigentum zu erwerben und wie es vererbt wird, und, und, und. Ja, als einer dieser berüchtigten Saipa-Fahrer ein besonders verwegenes Überholmanöver macht, beantwortet er uns auch die Fragen zum iranischen Organspendeausweis.
Ab und zu müssen wir an einer Polizeistation halten und unsere Tourenkarte abstempeln lassen. Das erinnert an die Bodenseerundfahrt oder die Wanderung nach Santiago de Compostela.

Maragheh bedeutet Dorf der Viehweide, aber nicht dafür ist die Stadt bekannt, sondern für ihre Grabtürme, von denen noch vier erhalten sind. Wir werden von Alizadeh erwartet. Er erklärt uns die Architektur und Geschichte der Türme auf Farsi, Reza übersetzt und ergänzt. Alles ist interessant, aber auch anstrengend, so beschließen wir, die Besichtigungen ein wenig abzukürzen und stattdessen ein Lokal anzusteuern, eine Kleinigkeit zu essen, um dann später den Rest des Tages noch in Täbriz zu verbringen.
Die „Kleinigkeit“ besteht aus Salat, einer sehr feinen Graupensuppe, Platten mit Hühnchen und verschiedenen Lammgerichten und dem Reis, über den ich in einem Reiseführer gelesen hab, wer den einmal probiert hat, ist für andere Reiszubereitungen verloren. Den Joghurt hab ich für den Nachtisch gehalten, doch er war mit Schalotten angemacht. Nun, Lamm war noch da, und in dieser Kombination hat er gar köstlich gemundet.
Bei der Bezahlung haben wir uns in unserer Gruppe sehr schnell darauf geeinigt, einer bezahlt alles, und im Bus wird die Summe durch die Anzahl der EsserInnen geteilt. Es wäre auch wirklich albern, wenn wir, die wir uns diese tolle Reise leisten können, anders verführen. Denn bei diesem Essen mußte jeder 160.000 Rial bezahlen, vier Euro, für uns der Preis von einem Glas Wein. Für den durchschnittlichen Iraner dagegen 4 % seines Monatseinkommens.

Auf der Rückfahrt fährt Hans-Peter mit seinem Wägelchen durch den Gang und bietet den von Christian bereiteten Busfahrerkaffee an. Ina verteilt Ghorabiyih, das sind wunderbare, große Pistazienplätzchen. Wie der Bischof in der vollbesetzten Kirche beim Weihnachtsgottesdienst passen die tatsächlich in unsere Bäuche noch rein.
Nach gut sieben Stunden und 300 km Busfahrt erreichen wir unser Hotel.
Christian verursacht beim Rückwärtseinparken in die schmale Toreinfahrt einen Stau, erntet aber kein wütendes Hupkonzert, sondern bewundernde Blicke ob seiner Fahrkünste.

Eine schöne Tour – Der „verlorene“ zweite Tag im heiligen Mashad wäre sicher nicht schöner gewesen.

Achim Hudewentz

Ein Besuch beim Kuaför und im Hamman, 18. April

Richtig, zuerst geht’s zum Friseur in dieser unaussprechlichen Grenzstadt Dogubayazit kurz vor dem Iran. In den kleinen Gassen sehe ich gegenüber einem Metzger, der tatsächlich mit einer Axt gerade ein Viertelrind aufteilt und neben einem der hier häufigen Gemischtwarenhändler vor einem Fenster einen Wäscheständer mit mehreren nassen Handtüchern.
Drinnen zwei Drehstühle vor zwei Spiegeln und ein heftig einladender junger Mann, der mir zuwinkt und die Tür öffnet.
Die Einladung wird angenommen, und nach kurzer Begrüßung deute ich unmissverständlich den Wunsch nach Verbesserung der Kopffrisur an. Ehe ich mich versehe, werde ich mit einem Umhang bekleidet und wie aus dem Nichts zaubert der Meister- nennen wir ihn Ali – mit einem Rasierpinsel weichen Schaum auf mein Gesicht. Nun gut. Mit einem frisch ausgepacktem Rasiermesser und unglaublich schnellen Fingerbewegungen entfernt Ali Schaum und Barthaare und bewegt das superscharfe Messer schlagzeugartig – dabei effektiv – über meine Backen, Kinn und Hals: Mit einer Hand zieht er die Haut zusammen, um mit dem Messer in der anderen Hand die Haare möglichst an der Wurzel zu entfernen. Wie ein Tänzer wirbelt er hinter meinem Stuhl umher, zieht mein linkes Ohrläppchen hoch, dann den rechten Mundwinkel in die Länge- ein System erkenne ich dabei nicht!

Ich war schon oft in der Türkei beim Friseur, aber heute erlebe ich etwas Neues: Der Schaum ist weitgehend entfernt, ich erwarte das Schneiden der Haare. Doch schon ist der große Rasierpinsel neu aufgeschäumt und wird zum 2. Male über mein Gesicht gewedelt, wenn ich jetzt „Stopp“ gesagt hätte, wäre der Mund voll Schaum. Und als endlich alle noch so kleinen Barthäärchen verschwunden sind, säubert mich Ali mit einem warmen Tuch und schmiert mir direkt anschließend eine hellbraune Paste auf mein Gesicht – und lächelt mich an. Ich weiß, dass diese Creme trocknet und wieder entfernt wird, bevor ich diesen Raum verlasse.
Jetzt greift Ali zum Behälter mit hellrotem heißem Wachs, in das er Wattestäbchen tunkt und sie mir in beide Ohren steckt. Zugleich überzieht er beide Ohrmuscheln komplett mit diesem hellroten Wachs. Zwei weitere Wattestäbchen werden ebenfalls mit Wachs getränkt und mit einem komplizierten Mechanismus in beiden Nasenlöchern verklebt.
In einer Art Geistesblitz hole ich die kleine Kamera aus der Tasche, um einen der wartenden Einheimischen um ein Foto zu bitten- er hat Riesenspaß daran und drückt mehrfach auf den Auslöser.
Was kommt jetzt?
Natürlich ein Glas Tee, Çay, das mir angeboten wird. Aber nur, um die Wartezeit zu überbrücken, bis das Wachs trocken ist.
Jetzt wird’s schmerzhaft!

Zuerst mit einem Ruck aus den Ohrlöchern die Wattestäbchen, die mir triumphierend mit den heraus gelösten Ohrhaaren vor die Augen gehalten und dann mit geübtem Schwung durch die geöffnete Tür auf die Staraße geworfen werden. Dasselbe geschieht mit den Stabchen, die mir aus den Nasenlöchern hängen – da das Ergebnis der Nasenhaarentfernung Ali nicht befriedigt, wird die Prozedur hier noch mal wiederholt. Ich habe beschlossen, mich zunächst ohne weiteren Widerstand Alis Händen zu unterwerfen, ich habe ja Zeit, nur zum Hamman will ich nachher pünktlich sein.

Endlich beginnt der eigentliche Zweck meiner Anwesenheit, das Haareschneiden. Viel ist nicht zu entfernen, zum einen ist die Kopfbehaarung arg spärlich, zum anderen war ich gerade vor 3 Wochen bei Alis Kollege in Freiburg. Aber wie viele Arbeitsgänge mit und ohne Maschine, mit Kamm, Schere und anderen Geräten für Ali nötig sind, um sein gewünschtes Ergebnis zu erzielen, kann ich nicht mehr nachhalten. Für mich war der Haarschnitt recht schnell O.K., aber Ali entdeckte immer wieder noch ein Haar, das 2 mm zu lang war. Und dann erst der Schnurrbart: Auch hier eine Spezialbehandlung mit Kamm und Schere wie üblich, dann aber wurden noch 3 elektrische Schneidemaschinen benutzt, und immer wieder mit Minischere der seitliche Rand korrigiert, wobei der Mundwinkel lateral stark in Richtung Ohr gezogen wurde.

Endlich fertig!

Jetzt durfte ich die Stirn auf ein Handtuch auf das Waschbecken legen. Ali begann mit der Kopfwäsche und der Entfernung der Gesichtspaste, die inzwischen maskenartig erhärtet war. Eine leichte Kopfmassage machte mich glauben, die Sitzung sei zu Ende. Aber die Nasen- und Ohrlöcher mussten erst noch mit einer Spezialmaschine abschließend gereinigt werden, die Gesichts- und Kopfhaut wurde mit wohlriechenden Wässerchen abgeklatscht, das Tuch wurde vorsichtig abgenommen – schnell und problemlos auf der Straße abgeschüttelt –  und ich durfte meine Stirn wieder auf ein Tuch auf das Waschbecken legen.

Was jetzt kommt, ist eigentlich bekannt, war für mich aber neu: Die obligatorische Hals – Nackenmassage begann zwar im Nacken, ging aber den ganzen Rücken runter bis zum Kreuzbein und zwar mehrfach rauf und runter!

Christoph, der gerade hereinkam, konnte über diese Behandlung nur staunen. Danach begann die Zeremonie der Nacken- und Schulterdehnung, nur beim geplanten Einrenken der Halswirbelsäule lehnte ich dankend ab.

Noch ein Wässerchen, und nach genau 55 Minuten hatte Ali sein Werk beendet!
Über den Preis sind wir uns dann auch durch Halbierung seines ersten Vorschlages einig geworden und haben uns herzlich verabschiedet.

Im Laufe des Nachmittags habe ich noch Lothar – nur zum Haareschneiden – vorbei gebracht, was mir dann beim späteren Vorübergehen ein herzliches Zuwinken von Ali einbrachte.

Durch diese Stunde bei Ali war ich so erschöpft, dass ich den anschließenden Hamman – Besuch auf drei Worte reduziere: warm, hautverschönernd, muskelintensiv.

Ein schöner letzter Tag in der Türkei , der mit einem gemeinsamen Essen und einem herzlichen Dankeschön an Nacye, seit Istanbul unsere türkische Reisebegleiterin, endete.

Auf zur türkisch – iranischen Grenze und zu neuen Erlebnissen!

Jogi Meyer-Sieger

Hier der fotographische Nachtrag, auf vielfachen Wunsch:

Besuch beim Kuofoer Achim Hudewentz