Plaudereien aus dem Werkzeugtäschle (8)

von Axel Lehmann

Argentinien ist auch grün…

Mittwoch sind wir von Chile nach Argentinien über die Anden gefahren, und damit haben wir die ursprüngliche Panamerikana (Ruta 5) verlassen. Die geht ein Stück hinter Puerto Montt über auf die Isla Grande de Chiloe und endet dort in Quellón. Wir fahren also erst ein Stück nach Norden zurück bis Osorno und dann gen Osten nach San Carlos de Bariloche.

Aber vorher wird noch Heidis Geburtstag gebührend gefeiert (siehe auch Heidis Blog). Mittags gibt es eins von Hans-Peters berühmten Picknicks, diesmal aus gegebenem Anlaß mit Sekt. Das Abendessen wird von Aventoura gestiftet (nicht ganz freiwillig, sondern als Wiedergutmachung, weil das letzte Hotel ein totaler Mißgriff war – so was kommt eben auch mal vor), und Heidi lädt uns zu den Getränken ein. Es wird ein rundum gelungener Abend mit leckeren Empanadas (Teigtaschen mit Käse oder Fleisch gefüllt) als Vorspeise, sowie richtig guten Steaks mit Kartoffelgratin und jeder Menge Salat als Hauptgang.

Argentinien fängt leider zunächst gar nicht so grün an, denn nach dem letzten Vulkanausbruch 2010 in der Gegend wurde die ganze Asche nach Argentinien geweht, und ganze Wälder sind verbrannt oder zumindest schwer geschädigt. Die Straße entlang sind Berge von grauer Vulkanasche aufgeschüttet, die von der Straße geräumt wurden. Noch an unserem Ziel Bariloche am Lago Nahuel Huapi kann man die graue Schuttschicht auf den umliegenden Bergen bewundern.

Und außerdem haben vor den Landeswechsel die Politiker die Grenzkontrollen gesetzt. Inzwischen sind wir ja schon Profis, bleiben ruhig, füllen brav unsere Zettelchen mit vielen Durchschlägen aus und stellen uns nach Bedarf auch in Einer-, Zweier- oder Dreierreihen auf. Sowohl die Ausreise aus Chile wie die Einreise nach Argentinien gehen problemlos vonstatten, man geht sehr freundlich mit uns um, sogar Sonderbehandlung ohne Gepäckkontrolle ist möglich – was will man mehr. Aber eine gute Stunde pro Kontrolle brauchen wir doch.

Was mir in Argentinien sofort auffällt, ist der entspannte Umgang der Argentinier mit Zäunen. Hier findet man sie nur noch zur Zierde oder gar nicht, keine meterhohen Barrikaden mehr wir in Chile. Allerdings muß ich hinzufügen, daß es im Süden Chiles auch schon wesentlich weniger martialisch zuging als weiter im Norden.

Auch in Bariloche fühlen wir uns mit der See- und Gebirgskulisse sehr an schweizer Panoramen erinnert. Aber als wir dann weiter gen Süden fahren nach Esquel, verlassen wir bald diese spektakulär Landschaft und tauchen ein in die Pampa, während die Berge immer weiter zurücktreten. Für hunderte von Kilometern begleitet uns nun eine wenig aufgeregte Steppenlandschaft, die mehr grau als grün wirkt und aus kleinen Büschen und Grasbüscheln mit einigen Lupinien hie und da zusammengesetzt ist. Von fern wirkt die Pampa flächenhaft wie unser Gras, in der Nähe sieht man den kahlen Boden, auf dem die  Büsche und Grasbüschel kleine Inseln bilden. Und es ist windig, sehr windig. Selbst unser Bus wird immer wieder von starken Böen geschüttelt.

Und weiter geht es am nächsten Tag wieder über 500 km durch die Pampa. Während wir am ersten Tag kaum ein Tier gesehen haben, werden wir diesmal belohnt: Diverse Schaf- und Rinderherden sind zu sehen, an einem kleinen See finden wir Graugänse und Flamingos, die allerdings flüchten, als wir zum Fotografieren aussteigen, und sogar ein einheimischer Strauß wird gesichtet, der natürlich auch vor der Fotografenschar flüchtet. Christian rettet durch eine Notbremsung auf einer Piste noch ein vorwitziges Gürteltier.

Das Beste an den vielen Kilometern ist aber (wieder einmal) das Picknick. Christian findet an einer Nebenstraße an einem Fluß ein windgeschütztes Plätzchen. Ina und Hans-Peter haben eingekauft und gemeinsam werden zwei Tische mit voll gestellt mit Brot, Oliven und Olivenöl, Wurst, Käse, Schinken, Gurken, Paprika, Kapern, Obst und und und…

Inzwischen sind wir in Los Antigues am Lago Buenos Aires angekommen und genießen einen Ruhetag. Beliebig ruhig ist es hier nicht, denn der Wind bläst ständig mit 5 bis 6 Beaufort, so daß es auf dem Lago richtige Wellen gibt und wir in unserem Hotel am See permanentes Brandungsrauschen genießen können.

Der Wind ist so stark, daß man auf den Aussichtspunkten des Ortes die Kamera nicht ruhig halten kann. Aber es ist angenehm warm hier, man kann es gut aushalten. Wir merken deutlich, daß wir wieder in höheren Breiten unterwegs sind, denn zum einen sind die Temperaturen sehr angenehm, zum anderen sind die Tage wieder deutlich länger. Und es wird noch besser, denn der 21.12. kommt ja erst noch – und das ist hier der längste Tag des Jahres! Das ist auch für viele Teilnehmer das Ende der Reise – aber daran wollen wir noch nicht denken.

Heidi hat ja schon mal angefangen, die Highlights der Reise zusammenzufassen. Da stellt sich natürlich die Frage: Gab es auch Lowlights? Ja, natürlich – das kann auf einer solchen Reise nicht ausbleiben. Aber ich kann sagen, es waren sehr wenige, und es lohnt sich eigentlich nicht, diese herauszustellen, denn das würde das Bild verzerren.

Wie ich am Anfang schrieb: Der Weg ist das Ziel. Und für den Komfort auf dem Weg ist in erster Linie der „Große Rote“ zuständig. Und der hat sich dermaßen gut geschlagen, daß man es kaum glauben kann. Ohne Mucks und Maunz über 4000m hohe Pässe. Bisher keinerlei Ausfälle (bis auf eine Schraube, die sich an einem Tisch gelöst hat). Auch auf den Schotterstrecken der letzten Tage, über die Hans-Peter und Christian mit 60 bis 70 km/h gebrettert sind (habe ich heimlich mit GPS nachgemessen!), war der Sitzkomfort für uns immer noch angenehm, auch wenn es gerüttelt hat.

Nun haben Heidi und ich viele Wochen lang den Daheimgebliebenen berichtet. Wir bedauern es sehr, daß sich nicht mehr Teilnehmer entschlossen haben, ihre Eindrücke zu schildern. Wir hätten es sehr begrüßt, denn erst eine Vielfachheit von Meinungen und Beobachtungen kann das Bild einer solchen Reise abrunden.

So wollen wir denn vor Ende der Reise und zum dritten Advent die Hauptakteure endlich vorstellen:

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Bis demnächst wieder in diesem Blog…

Plaudereien aus dem Werkzeugtäschle (7)

von Axel Lehmann

Chile wird immer grüner…

Das Wichtigste vorweg: Pünktlich zum 6. Dezember bekam Hans-Peter einen Weihnachtsbaum überreicht, begleitet von einem (leicht modifizierten) Weihnachtslied, a capella vorgetragen. Unnötig zu erwähnen, dass die Aktion Beifallsstürme auslöste. Da wir noch lange Freude an dem schönen Bäumchen haben wollen, lassen wir ihn von Schwarzwaldi bewachen.

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Apropos Weihnachten: Hier weihnachtet es natürlich auch sehr. Im letzten Hotel in Talca stand schon der große, bunte, lichterglitzernde Weihnachtsbaum. Zum Glück waren es nur weiße Lichter, die permanent in beliebiger Reihenfolge an- und ausgingen. Der Eingang zum Restaurant wurde von einer Krippe und zwei Rentieren geschmückt, leider habe ich vergessen, das zu fotografieren. Aber heute waren wir bei der in Chile berühmten Brauerei Kunstmann und haben uns an Bier und deutscher Küche gelabt: Kässpätzle, Kassler, Sauerkraut, Mettwurstbrot und andere Schmakatien, die wir seit Wochen entbehrt haben. Vor der Brauerei und im Eingang stehen wunderbare, mit Bierdosen geschmückte Weihnachtsbäume, die ich den geneigten Bloglesern nicht vorenthalten möchte.

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Und noch ein Spezailbild vom großen Roten:

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Zurück zum Thema: Etwa seit La Serena wird die Landschaft mit jedem Kilometer grüner. Hatte die Landschaft in La Serena noch eher Steppencharakter und war nur da grün, wo auch viel bewässert wurde, so war sie in Santiago schon grün und ist hier südlich Talca bereits üppig grün mit großen Wäldern und viel Landwirtschaft. Streckenweise meint man, durch das Rheintal zu fahren. Und in Pucón am Lago Villarrica meint man schon fast, im Allgäu zu sein; wäre da nicht der Vulkan Villarrica mit fast 2600m Höhe und seinem schneebedeckten Gipfel.

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Rastplätze gibt es doch, zumindest haben wir gestern vor Temuco einen gefunden und benutzt. Ungefähre Koordinaten: 38.09612, 72.35531 W. Ich ziehe hiermit meine Aussage über die nicht vorhandenen Rastplätze zurück.

Handbürste: Seit Santiago habe ich wieder eine Handbürste. Heidi hat sie bei einer blinden Straßenhändlerin gefunden! Und kaum hatte ich die neue Handbürste, sahen wir in Santiago eine richtige Auswahl an Handbürsten in einer Cordoneria Alemana. Man muß halt wissen, wo man so etwas kaufen kann.

Erdbeben: Nein, wir haben (zum Glück) keine Erdbeben erlebt bisher, aber wir sind jetzt in einer geologisch sehr aktiven Region. Allein Talca hatte sechs sehr starke Beben in den letzten 100 Jahren. Dort konnten wir die Folgen des letzten Erdbebens der Stärke 8,8 von 2010 besichtigen. In der Stadt gibt es diverse Gebäude, die schwer beschädigt wurden und gesperrt sind, so die zentrale Schule, die alte Markthalle und die Bank Santander. Jetzt tobt ein Kampf darum, wie es weitergehen soll. Die Stadt will Schule und Markthalle abreißen und eine Shopping Mall hinsetzen. Die Händler der alten Markthalle wehren sich dagegen, denn sie würden dabei auf der Strecke bleiben. Derzeit ist der Markt provisorisch hinter der gesperrten Markthalle. Es sind viele kleine Obst und Gemüsehändler und Bauern mit regionalen Produkten, aber auch Schneider, sonstige Händler und viele kleine Restaurants, in denen man sehr preiswert essen kann. Eine neue „Shopping Mall“ würde sicherlich ganz anders aussehen – aber nicht unbedingt ein besseres Angebot haben.

Wir hatten die Gelegenheit, das Museo O’Higginiano zu besuchen, das eigentlich geschlossen ist. Für die Chilenen ist das eigentlich ein wichtiger Ort, denn hier wurde 1810 die Unabhängigkeitserklärung Chiles von O’Higgins unterzeichnet. Es ist ein altes, großes Haus im Adobe-Stil einer spanischen Adelsfamilie und das älteste Haus am Platz, denn durch die Erdbeben (siehe oben) wurde immer wieder viel zerstört und dann neu gebaut. So ist also dies Haus und Museum, das auch für viele andere kulturelle Zwecke genutzt wurde, ein wichtiges Zeugnis der chilenischen Geschichte. Es ist immer noch geschlossen, weil es eben beim letzten Erdbeben beschädigt wurde. Soweit wir sehen konnten, ist die Grundstruktur noch immer gut, denn die Wände sind sehr breit und aus gestampften Lehmziegeln gebaut; eine Bauweise, die sehr erdbebenresistent ist. Deshalb sind auch nur wenige Ausstellungsstücke verloren gegangen, allerdings ist zur Zeit alles ausgelagert.

Leider hat die derzeitige, konservative Regierung wenig Interesse gezeigt, das Museum wieder herzurichten. Jetzt stehen Neuwahlen an und für 2014 wurde nun die Bereitstellung von Mitteln angekündigt. Wir wünschen dem Direktor, daß die Mittel auch wirklich kommen!