Busreisen sind spannend und diese ganz besonders. Die letzten Tage zwischen Bariloche im Westen Argentiniens und den südlichen Anden bis nach El Calafate in der Nähe des berühmten Perito Moreno Gletschers sind im Text mit vielen Eindrücken beschrieben, die nicht immer chronologisch sind und einen Einblick in den Mikrokosmos einer Reise mit dem Luxusbus um die ganze Welt geben.
Tag und Nacht Wind, seit Tagen und ein Schweizer Pärchen, die mit dem Wohnmobil von Feuerland kommen, sagen uns, dass es so bleiben würde, Wind jeden Tag. Patagonien ist eine der windigsten Ecken der Welt, besonders im Sommer, also ab Dezember. Aber da Argentinien derzeit die heißesten Tage seit Jahren erlebt, kommt der Nordwestwind sehr warm daher. Ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit.
Wir sind wieder auf der Ruta 40, eine der großen Straßen Südamerikas, die sich durch ganz Argentinien von Nord nach Süd durchs ganze Land zieht. Vorbei an Rinderherden, durch die Steppe, immer wieder Pappelreihen, die als Windflüchter gepflanzt werden, niedriges Buschwerk wechselt sich mit hellgrünen Bäumen an Flussläufen ab, kurzes, festes Gras – bestes Futter für die dunkelbraunen Rinder, die hier auf den endlosen Weiden stehen. Es ist Steppe, aber es gibt überall Wasser.In Tümpeln mitten auf den Weiden zartrosa Flamingos, hunderte von Kilometern vom Atlantik und Pazifik entfernt. Dazwischen Wildgänse und mit großen Schritten über das Buschgras flitzende Nandus, eine Straußenart. Erstaunlich, wir durchqueren karge Steppe, kaum Bäume und Sträucher und dann wieder Wasserläufe, sumpfige Flächen, weidende Pferde, Guanacos, sogar Stinktiere kreuzen unseren Weg.
Zunächst eintönig, hat diese Landschaft etwas Großartiges. Die Hochebenen werden immer wieder von Hügelketten am Horizont begrenzt und die immer wieder schneebedeckten Andengipfel begleiten uns seit Tagen auf der rechten Seite auf unserem Weg in den Süden nach Feuerland. Und der Himmel! Bizarr geformte Wolkenfetzen, lange Streifen, scharf ausgezackte Wolkengebilde, die der Nordwind immer wieder neu an den Himmel zaubert. Manche Berggipfel umkränzt von dunkeln Wolken, aber Regen – Fehlanzeige!
In einer Senke liegt eine große Estancia, eine dieser Schaffarmeen, die Tiere wie kleine weiße Flecken in der Ferne auf sattgrünem Teppich. Hat schon fast etwas Meditatives, genau das sagt auch einer unserer Gäste, als ich ihn frage, wie es sich denn so anfühlt, wochenlang durch Südamerika von der Maracaibo See am Golf von Mexiko durch Kolumbien, Ecuador, Peru und die Atacamawüste in Chile bis tief nach Argentinien hinein zu reisen. Meine erste Busreise, sagt er, ganz Individualist und erfüllt sich einen Traum, einmal durch ganz Südamerika zu reisen. Die manchmal auch langen Tage im Bus sind für ihn schon eher Meditation, manchmal passiert einfach gar nichts besonderes, Landschaften ziehen an den großen Panoramafenstern vorbei, einfach zurücklehnen, zuschauen, ein Buch lesen, vor sich hin träumen.
Einfach leben, wie ein Argentinier am Straßenrand sitzend auf die Frage antwortet, ob er da auf jemanden wartet. Nein, ich warte nicht, ich lebe, sagt er.
Faszinierend, diese trockene Steppe, die so aussieht, als würde es hier so wenig regnen wie in der Atacamawüste und dann schlängelt sich unversehens ein Bach mit glasklarem Wasser zwischen dem kurzen Steppengras hindurch. Die Straße ist gut, meistens jedenfalls. Asphaltiert, kaum Schlaglöcher und dann fehlt auf einmal ein Stück und wir fahren 120 Kilometer Schotterpiste. Damit die Steine nicht zu stark in den Radkästen schlagen, fährt Christian leicht versetzt auf dem etwas angeschobenen Schotter und der Bus driftet etwas sanfter über den Untergrund, dazu kommt der Seitenwind mit 5 – 7 Windstärken.
Ab und zu kleine Straßendörfer, weißgekalkte Häuser, bunte Werbung drauf, am Ortseingang meist ein Checkpoint der Polizei, wir werden meist durchgewinkt, aber kontrolliert wird hier viel. Klassische Anzeichen ehemaliger oder immer noch Polizeistaaten.
Die regelmäßig in den Asphalt eingelassenen Schwellen erinnern jeden Autofahrer daran, nicht zu schnell zu fahren, die tiefen Furchen jedoch im Belag hinter den Schwellen zeigen mir, dass Karosseriebauer hier genug zu tun haben. Verlaufen kann ich mich nie in den Orten, alle Straßen verlaufen im rechten Winkel, viele Grundstücke vergittert, viele im Rohbau, überhaupt wird viel gebaut, in den letzten Jahren sind viele Zuwanderer gekommen, So viele unterschiedliche Landschaften wie auf dieser Reise durch Südamerika hätte sie noch nie gesehen, sagt Heidi, die schon durch China mit dem Bus gereist ist.
Cuevas de los Manos, Höhlenmalereien in einem Canyon, 30 Kilometer abseits der Ruta 40, prähistorisch, interessant, aber nicht spektakulär, denke ich. Aber dann! Der Weg dorthin, tiefe Canyons, lichtdurchflutete Schluchten, Guanoacos und Endus verstecken sich gut im Buschwerk, Condore schweben majestätisch über der Steppe. Dazu die Dramaturgie von Wolkenformationen mit seinen ständig wechselnden Bildern bis zu 5000m hoch. Nach einer Stunde Schotterpiste öffnet sich der Blick in einen tiefen Canyon, der Boden tiefgrün, zwischen sattgrünen Weiden windet sich ein Flusslauf…200 m hohe Felswände an denen wir entlanggehen….
Andres beschreibt uns immer wieder Fauna und Flora, eine klassische Reiseleiter Vita, er Argentinier, der im Norden Brasiliens lebt, einige Jahre in Deutschland verbracht hat, so fließend Deutsch spricht, dass man ihn für einen Mannheimer Jungen hält, in Spanien eine Ausbildung zum Reiseleiter gemacht hat und scheinbar überall in Südamerika zuhause ist.
So ein Trip ist wirklich ein Roadmovie, alle verwachsen ein wenig mit der Straße, Christian und Hans-Peter haben einen guten Blick für schöne und geeignete Picknickplätze, windgeschützte, am besten dazu leicht hügelige Landschaft, die auch einen diskreten Toilettengang erlaubt.
In einer langgezogenen Kurve, endlich etwas windgeschützt, Picknickstopp. Wir bleiben nicht lang allein, eines dieser so niedlich aussehenden Guanoacos, den Lamas verwandt, interessiert sich für unser Buffet. Alle zücken die Kameras, das Guanaco sieht süß aus mit seinen Blinzeläuglein, wird dann zusehends frecher und schubst den einen oder anderen von uns hinterrücks, um an die herrlich duftende Wurst und den leckeren Käse zu kommen. Es lässt sich kurzzeitig durch ausholende Bewegungen mit geöffneten Armen verscheuchen, aber nicht wirklich entmutigen. Sucht sich immer neue Opfer, die etwas außerhalb der Gruppe am Bus stehen um diese dann hinterrücks freundschaftlich zu attackieren, mal am Kragen zu zupfen oder einfach mal mit einem schnellen Ausfallschritt zu knuffen. Begegnung mit südamerikanischer Tierwelt der besonderen Art.
Wider Erwarten kommen wir schnell voran, die Straßenkarte weist Schotterpisten aus, die seit einiger Zeit asphaltiert sind, die Ausschilderung ist dann aber doch so italienisch, dass wir ohne es zu ahnen einen Umweg fahren, das sind dann mal eben 100 Kilometer. Alle haben ihre Straßenkarten vor sich, mit bunten Eddingstiften ziehen sie Linien über Patagonien, Navigationsgeräte funktionieren nur bedingt, manche lesen ihre Tageszeitung, die sie am Abend vorher aus dem Netz runtergeladen und als pdf abgespeichert haben. Lazy Sunday afternoon im Bus……
Zwei unglaublich schöne Tage liegen hinter uns. Um an die Orte in den Anden zu gelangen, die soviel spektakuläre Natur bieten, haben wir viele Kilometer durch die patagonische Steppe zurückgelegt. Und nicht nur auf asphaltierten Straßen sondern auch auf endlosen Schotterpisten. Die Straße hat einen Namen, der den Klang einer südamerikanischen Route 66 hat – Ruta Nacional 40, über 5200km lang, längste Fernstraße Südamerikas neben der Panamericana, die teilweise auf der Ruta 40 verläuft. Von den Anden aus verläuft sie durch den gesamten Westen Argentiniens bis nach Rio Gallegos am Südatlantik.
Vorgestern also den ganzen Tag durch die Steppe mit einem Abstecher nach Cuevas de los Manos zu den Höhlenmalereien und spät abends rollen wir im roten Bus im untergehenden Licht der Sonne und dramatische Wolkenbildern vor der Andensilhouette nach El Chaltén.
Viele junge Leute, Outdoorfreaks, Fleecejacken, Patagonia Klamotten, Cargohosen und i-phones auf dem Tisch. Vor 15 Jahren kaum 50 Einwohner, heute weit über tausend, Tendenz steigend. Ein Straßendorf am Ende eines Andenhochtals mit spektakulären Gebirgsmassiven. Die Saison beginnt gerade, es wird Sommer, Wanderer und Kletterer auf der Suche nach noch weitgehend unberührter Natur. Nur 400m hoch, wird es nachts empfindlich kalt, der Westwind weckt uns auch mal mitten in der Nacht, am Morgen stahlblauer Himmel, glasklare Luft und die Vorfreude auf eine Wanderung mit Blick auf einen der schönsten Berge der Welt, den Cerro Torre und den Fitzroy. 1 ½ Stunden geht es durch Wald mit umgestürzten Bäumen, knorrigen Ästen, blühenden Büschen, Steppenpflanzen und über kleine Bäche bis sich vor unseren Augen ein unglaublich schönes Panorama entfaltet – der Monte Fitzroy mit seinen über 3400 m hohen Felsnadeln, die beinahe senkrecht aus einem Hochtal in den Andenhimmel ragen. Schneefahnen lassen den Sturm erahnen, der dort oben herrscht, immer nur für kurze Zeit verstellen schnell ziehende Wolken den Blick auf das ganze Massiv.
Nach einem sehr langen Fahrtag eine wirkliche Belohnung für alle Sinne.