Redefluss

Beitrag von Gabriele Baier-Umgelter, Fotos von Ina Jander

Kürzlich in Banff. Wir hatten einen freien Tag.  Nachmittags setzte ich mich mit meinem Buch in die Sonne auf  die Steinstufen am Bow-River in der Nähe des Hotels. So schön, so gemütlich, so ruhig, ganz für mich alleine. Bis Jenny kam.

Mit den Worten: „Da ist schon jemand“ (auf deutsch )kam sie um einen Busch herum.

Ich: “   Du darfst gerne kommen“.

Sie, nach hinten rufend: “   Oh, Mama, da ist schon wieder jemand, der Deutsch spricht!“

Zu mir: „Meine Mutter sagt, sie ist extra aus Deutschland weg, um keine Deutschen zu sehen, jetzt treffen wir überall welche“.

Mhm.

Da ich schon eine Stunde auf meinem Plätzchen saß und einen Sonnenbrand befürchtete, sagte ich ihr, sie könne die Treppe jetzt ganz für sich alleine haben. Echtes Entsetzen in ihrer Stimme. „Nein, wieso denn, geh bloß nicht weg, wir können doch noch ein bisschen reden.“ Also gut, eine kleine Weile hielt ich es in der Sonne noch aus…

Und Jenny legte los! Sie breitete ihr ganzes junges Leben vor mir aus: Ihre Erfahrungen im Kindergarten, ihr Vorschuljahr in Kanada, die Sommerferien der letzten 4  Jahre, die Entstehungsgeschichte ihrer 5 Narben … Der Planet stach, Jenny hatte eine dieser praktischen Mützen mit angenähtem Genicklappen auf dem Kopf. .. die Verhältnisse der einzelnen Familienmitglieder untereinander, den bisherigen und zukünftigen Verlauf ihrer diesjärigen Kanadareise… Ihre Mutter schlief derweil auf einer Parkbank im Schatten, wie ich erfuhr.

Ihr Redefluss erinnerte mich irgendwie an einen Ausspruch meiner lieben Mitreisenden Hilde: „Je mehr Kaffee ich trinke, desto schneller rede ich“.

Nach einer Stunde wurde sie gerufen, man wollte weiter. Ich auch.

 

Liebe Jenny,

Erstens habe ich mich wirklich sehr gefreut, deine Bekanntschaft zu machen, du bist so ein aufgewecktes Kind! Zweitens: Fang bloß nie mit dem Kaffeetrinken an und drittens: Ich spüre meinen Sonnenbrand kaum noch.

Liebe Grüße

Ela

Back in The USA

Beitrag von Ina Jander

Heute verlassen wir Kanada und versuchen wieder, in die USA einzureisen. Nach den Erlebnissen mit US-Behörden während der letzten Wochen sind alle etwas beunruhigt.

Seit Anchorage sind wir mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen unterwegs gewesen, zuletzt in zwei großräumigen Vans von amerikanischem Format, die von Uli und Hans-Peter selbst gesteuert wurden. Aber mit diesen Autos dürfen wir die Grenze nicht passieren, schon gar nicht mit „unseren“ beiden Männern am Steuer. Deshalb wurde ein bequemer Kleinbus mit Chauffeur gemietet, der uns von Calgary nach Billings, Montana bringen soll. Unser Chauffeur heißt Kevin, er trägt einen schwarzen Anzug, weißes Hemd  und weiße Handschuhe!!  Wir kommen uns vor wie die Tramps gegen ihn.

Das kanadisch-amerikanische Grenzgebäude ist mindestens so imposant wie seine Gegenstücke auf der Seidenstraße. Eine knappe halbe Stunde müssen wir mit dem Auto Schlange stehen (uns „von hinten anschlängeln“ wie Reza das nennen würde), dann sind wir an  der Reihe. Alle halten wir gehorsam unsere Reisepässe bereit, aufgeschlagen auf der Seite mit dem US-Stempel, den haben wir alle ja schon. Der Officer ist ein älterer Mann und so umgänglich und nett, wie man ihn sich nur wünschen kann. Nach nur 15 Minuten sind wir durch! Wenn er der zuständige Beamte im Hafengelände von Tacoma am Zoll gewesen wäre,  wir sind uns sicher, er hätte unseren Roten reingelassen.

Uli gesteht uns nachträglich, dass er schwerste Bedenken hatte, ob wir mit diesem kanadischen Kleinbus über die Grenze kommen würden, zu viel hat er in dieser Hinsicht schon erlebt. Aber das sagt er Gott sei Dank erst hinterher. Hilde Lahr, die aber eigentlich aus Eschweiler bei Aachen kommt: „Et es wie et es. Et köt wie et köt. UND – et es noch emme jut jejange!“

Marina, die mit ihrer Familie in den Siebzigern lange in den USA gelebt hat und nur die schönsten Erinnerungen mit dieser Zeit verknüpft, freut sich, endlich mal wieder in den Staaten zu sein. Hilde Meerbusch sieht sie versonnen lächelnd im Sitz zurückgelehnt: „So geht mir das auch oft – ich muss aufpassen, dass mein Grinsen nicht so breit wird, dass sich meine Mundwinkel oben am Scheitel treffen!“

Spieglein, Spieglein, wer ist der Schönste in den Rockies?

Beitrag und Fotos von Iris Pfitzer-Heine

Von Banff, unserem dreitägigen Domizil, fahren wir entlang des Icefield Parkway Richtung Lake Louise. Die Wegstrecke durch die Nationalparks Jasper und Banff bis Lake Louise mit ihren 230km wird gern als die schönste Gebirgsstrecke Kanadas bezeichnet. Tatsächlich sind die Aussichten spektakulär und verlocken zu unzähligen Fotostopps. Aber nicht nur Foto-, auch Tierstopps werden ab und zu eingelegt. Immer, wenn mehr als drei Menschen am Straßenrand stehen und aufgeregt in die Büsche oder den gegenüberliegenden Hang deuten, halten die nachfolgenden Autofahrer ebenfalls ruckartig an. Es könnte ja ein Bär, ein Elch oder sonst ein großes Tier unseren Weg gekreuzt haben! Wir spielen kurz mit der Idee, einen solchen Menschenauflauf einfach nur zum Spaß zu inszenieren, nehmen dann aber doch davon Abstand, denn wir wollen die Kanadier nicht verärgern.

Auf dieser perfekt ausgebauten Straße sind wir natürlich nicht die Einzigen, das merken wir spätestens, als wir am Lake Louise ankommen. Sämtliche Parkplätze sind bereits besetzt, und auch der sogenannte „overflow“ scheint voll zu sein, jedoch finden wir noch zwei Parklücken und quetschen uns hinein. Nach unserer bisher eher einsamen und ruhigen Gegend schrecken uns so viele Menschen und der ganze Trubel eher ab. Etwas desorientiert stehen wir erstmal da und begutachten die Szenerie , bis Uli vorschlägt, einen weniger begangenen Trail links um den See herum einzuschlagen. Froh, diesen Menschenmassen entrinnen zu können, folgen wir ihm nur allzu bereitwillig, und tatsächlich, das Unglaubliche passiert: nach ein paar Minuten sind wir fast alleine auf dem Weg zu einem Aussichtspunkt hoch über dem See, und uns bietet sich ein phantastischer Ausblick auf Schloss und See. Das Schloss selber, 1913-1925 erbaut, erscheint eher fantasielos mit seinen Terrassen, Restaurants und Souvenirshops, aber die Lage……

Eher erleichter besteigen wir wieder unsere Fahrzeuge, um beim nächsten See einen Stopp einzulegen.Etwas südlicher gelegen befindet sich der Lake Moraine, der kleinere Nachbar vom Lake Louise. Bereits auf der Fahrt dorthin warnt uns ein Schild , in der Beerenzeit sich vor Bären auf den Wanderwegen in Acht zu nehmen. Hier gilt es, „e“ von „ä“ zu unterscheiden! Auch beim Lake Moraine sind wir nicht die ersten Besucher, jedoch gibt es dort nicht diese Besuchermassen, und die Umgebung erscheint umso reizvoller und ursprünglicher. Dieser Eindruck wird noch bestärkt durch ein neuerliches  Schild am Weg, welches  uns  auffordert, nur in Gruppen von mindestens vier Personen weiterzumarschieren und dabei möglichst viel Lärm zu machen, um potentielle Bären abzuschrecken. Auch eine Form von „Anti-Brumm“!!!

Tja, am Ende des Tages stellt sich uns  die Frage, welcher der beiden besuchten Seen nun der Schönere war. Wissen Sie es?