Beitrag von Ina Jander
Für zwei Tage waren wir in Fairbanks und damit am nördlichsten Punkt unserer Reise. Hier wurden in den Jahren 1902 bis 1904 bedeutende Goldfunde gemacht, die einen Goldrausch auslösten. Heute wird noch immer Gold gefunden. Auch wir wollen unser Glück versuchen und melden uns für eine Tour in einer alten Goldmine an.
Wir Frauen machten uns vorweg einige Gedanken über unsere Ausrüstung bzw. Bekleidung: Schuhe, die nass werden dürfen, schließlich sieht man in den Filmen die Goldgräber immer im Wasser stehen. Außerdem nicht die beste weiße Hose, man muß ja mit Schlamm und Schmutzwasser rechnen. Keine Handtasche, sondern lieber den Rucksack, wir werden bestimmt beide Hände frei brauchen. Die Männer scheinen diesbezüglich unbekümmert, sie treten wie immer an, in Ledersandalen und Turnschuhen. Hinderliche Taschen haben sie auch sonst nie dabei.
Die alte Goldmine liegt etwas außerhalb der Stadt und kommt uns recht abgelegen vor, irgendwo im Wald nördlich von Fairbanks, kaum Autos auf der Straße, wir denken schon, dass wir wohl die einzigen sein werden und ob es dann überhaupt stattfinden würde? Doch diese Sorge ist ganz unbegründet: auf einem Riesenparkplatz stehen schon sechs große Tourbusse und es ist noch Platz für hundert weitere.
Das Ganze ist super organisiert und sehr amerikanisch, alles sieht locker aus, und nichts ist dem Zufall überlassen. Wir werden in einen auf alt getrimmten Zug mit Holzbänken gesetzt, vorne eine kleine Dampflok mit Holzwagen, aber sie hat einen Dieselmotor, der wohl kaum der Euro-1-Norm entspricht, so wie die Abgase wabern.
Begrüßt werden wir im Zug von Jeff, er ist ein Countrysänger / Entertainer und überbrückt die Wartezeit, bis der Zug voll ist mit einer kurzen Ansprache, Späßen, Schwänken aus seinem Leben und Liedern von Jonny Cash. Jeder Waggon hat einen eigenen Monitor, die Lautsprechanlage ist fabelhaft gut, man hat das Gefühl, Jeff säße einem direkt gegenüber. Bald singen fast alle mit, die Amerikaner mit uns im Zug kennen und lieben das, sie sind begeistert und gehen voll mit. Unsere Reaktionen liegen zwischen staunender Faszination für diese professionelle Show, die so echt und aufrichtig daherkommt, und leichter Verstörung aus demselben Grund.
Während der etwa zwanzigminütigen Fahrt durch das historische Gelände („Historical Site“) erklärt uns Ray sehr gut und kenntnisreich die Geschichte des Goldrushs in und um Fairbanks und die unterschiedlichen Methoden der Goldgewinnung.
Ray ist schätzungsweise Ende dreißig, er ist wie alle anderen hier als Goldgräber in Latzhosen (eine Oshkosh, stellen alle Mütter unserer Gruppe fest), Bart und Schlapphut verkleidet. Im Sommer arbeitet er auf dieser aufgelassenen Mine schon seit 18 Jahren mit den Touristen, den Rest des Jahres und hauptberuflich ist er Lehrer an der Highschool von Fairbanks.
Zielpunkt der Bahnfahrt ist Gold Dredge 8, ein monströser eiserner Schwimmbagger. Als die Minen für den manuellen Abbau schon nach wenigen Jahren erschöpft waren, wurden ab 1920 hier in Fairbanks, aber auch im Yukon und Klondike Valley diese Schaufelbagger eingesetzt und der Abbau im großen Stil und sehr aufwendig betrieben, in Fairbanks bis 1964.
Um Gold zu waschen, müssen wir nicht im Wasser stehen: unter hohen luftigen Holzdächern sind viele parallel angeordnete Holztröge mit Bänken rechts und links aufgestellt. Die Gedanken, die wir Frauen uns bezüglich Ausrüstung und adäquater Kleidung gemacht hatten, waren also komplett überflüssig. Jeder Trog ist mit Wasser gefüllt und bietet mindestens 30 Personen Platz. Alle Besucher bekommen einen Metallteller, ein Säckchen mit goldhaltigem Kies und Steinen, dazu ein verschließbares Döschen für die erwartete Ausbeute – es ist an alles gedacht! Und von Ray eine Demonstration, wie man den Teller drehen und schütteln und durchspülen muss, damit am Ende das Gold übrig bleibt. Viele junge Leute gehen uns Ungeübten und Unbeholfenen zur Hand und am Ende hat jeder von uns ein paar der warmleuchtenden Goldplättchen am Tellerboden kleben. Auch wenn man sich über das Ganze eher amüsiert, ist man in diesem Moment doch stolz und freut sich.
Nun haben wir noch eine gute Stunde Zeit, uns das Gelände anzusehen, in Dredge Eight herumzukriechen, historische Goldwäscherutensilien zu fotografieren und den neu erworbenen Reichtum im unvermeidlichen und sehr großflächigen Gift Shop gleich wieder auszugeben.
Wieder am Parkplatz angekommen, erklärt uns Ray die „Alyeska Pipeline“, die gerade hier vorbeigeleitet wird und in starkem Kontrast zum historischen Goldgräberdrumherum steht. Die Pipeline führt von Prudhoe Bay ganz im Norden Alaskas 800 Meilen durch das ganze Land bis nach Valdez in der Nähe von Anchorage. Der Reichtum Alaskas generiert sich zu achtzig Prozent aus den Ölvorkommen, und man beteiligt die Bevölkerung indem es keine Einkommenssteuer gibt, zudem erhält jeder Einwohner jährlich eine prozentuale Gewinnbeteiligung. Ray bekam vergangenen Oktober elfhundert Dollar vom Staat überwiesen.
Bei der Weiterfahrt auf dem Alaska Highway von Fairbanks über Delta Junction und Tok nach Dawson City in Kanada sieht man immer wieder an den Flüssen Männer, die auch heute noch nach Gold waschen. Ob das eine Freizeitaktivität wie Angeln ist oder doch ernsthaft betrieben wird? Die einen stehen tatsächlich im Fluss und schwenken eine Goldgräberpfanne, so wie wir uns das vorgestellt hatten. Andere haben sich einfache aber motorbetriebene und wasserüberspülte kleine Förderbänder konstruiert, wieder andere haben sogar mehrere Bagger auf dem Gelände stehen. Das sieht nicht mehr nach Spaß aus. Und als wir unseren einheimischen Fahrer Chris fragen, ob man sich einfach da irgendwo mit einer Goldgräberpfanne ans Ufer stellen und ebenfalls mitmachen dürfe, rät er ab, wir würden vermutlich mit einer „loaded shotgun“ begrüßt werden. Also wirklich kein Spaß.