Neues aus dem Nähkästchen

Bericht von Heidi Bisang, Foto von Sascha Böhnke

Liebe Blogleserinnen und -leser von Nah und Fern

Juhui, das Nähkästchen ist im roten Bus angekommen
Bevor ich aus Südamerika berichte, will ich noch rasch von Panama erzählen. Das grösste Erlebnis war natürlich der Besuch der Kanal-Schleusen. Wir haben am ersten Abend in den Flores Schleusen (das sind die Richtung Pazifik) im Aussichtsrestaurant zu Nacht gegessen. Das Essen wurde zur Nebensache, den Schiffen bei der Durchfahrt zuzusehen, war die Attraktion des Abends. Einfach eine Wucht. Am nächsten Morgen sind wir dann mit der Bahn (Panama Canal Railway) nach Colon gefahren und haben uns die Schleusen von und zum Atlantik zu Gemüte geführt, einfach immer toll, Mir wurde ganz wehmütig zu Mute (ich bin vor 11 Jahren mit einem Frachtschiff durch den Kanal gefahren) und unsere Reisegenossin freut sich jetzt noch mehr auf ihre Heimreise per Frachtschiff ab Buenos Aires. Neben den Schleusen hat mir aber auch Panama City sehr gut gefallen. Die Altstadt ist zwar noch in einem erbärmlichen Zustand, von vielen Häusern steht nur noch die (abgestützte) Fassade. Aber die Altstadt wird gerettet werden, ein Anfang ist bereits gemacht und der Kanal spült genügend Kleingeld in die Staatskasse um auch den Rest zu restaurieren. Die neue Stadt mit den vielen (Banken)-Hochhäusern (ein Mini-Manhattan) macht sich super gut als Kontrast.
Die letzten Tage in Panama und auch in Cartagena waren wie eine Rückkehr in die Zivilisation. Nach dem vielen großartigen Urwald-Tage der letzten Woche war ich richtig „auf dem Äff“, ich brauchte mal wieder Menschen und Häuser und Lärm.

Der Start der Südamerika-Etappe
Mit 3-stündiger Verspätung sind wir gut in Cartagena gelandet und haben endlich, endlich unseren roten Bus vor dem Hotel stehen sehen. Aber nicht nur den Bus auch unsere neuen Mitreisenden haben wir endlich kennen gelernt. Es scheint, wir werden zu einer fröhlichen Reisegemeinschaft zusammenwachsen. Bevor die Reise Richtung Süden startet, wollten wir aber Cartagena kennenlernen. Die Altstadt ist noch heute von einer Stadtmauer total umschlossen. Viele der alten Häuser und Gassen sind restauriert, aber sehr sanft. Damit ist der alte Charme erhalten geblieben. Einen Tag haben wir so richtig Ferien gemacht. Auf einem Schnellboot wurden wir auf ein kleines Inselchen (Isla del Rosaria = Rosenkranzinsel) gefahren. Dort konnten wir faulenzen und im badewannenwarmen Wasser schwimmen. Im Freiluftrestaurant wurden wir mit frischem Fisch verwöhnt, bref ein Traumtag, der dann allerdings auf der Heimfahrt in einem Platzregen endete. Das konnte unsere gute Laune aber nicht verderben, denn nicht nur das Meerwasser, auch das Regenwasser ist angenehm warm.

Die Reise beginnt
Dann ging sie los unsere lange Reise nach Ushuaia. Schon am ersten Tag haben wir uns im Bus gemütlich eingerichtet. Unsere Wolljacken – falls es wider erwarten mal kühl werden sollte – müssen nicht jeden Abend mit ins Hotel genommen werden, auch die schweren Wanderschuhen können im Bus auf ihren Einsatz warten. Alles ist einfacher und bequemer geworden. Die erste Nach haben wir auf halber Strecke nach Medellín in einem Familienhotel auf dem Lande verbracht. Riesengroße Zimmer mit drei Doppelbetten und null bis 2 Stühlen drin. Aber mit schönem Balkon, einem Großen Pool im Garten und Millionen Mücken. Vor dem Schlafen musste ich ein paar Kakerlaken (sie kamen unter der Türe durch) beseitigen, dann mit Antibrumm Forte einreiben und ganz schnell das Licht löschen. Die Wirtsleute waren äußerst freundlich, sie haben sogar die Polizei gebeten, unseren Bus zu bewachen. Offenbar hatten sie noch nie Gäste, die mit einem solch tollen Bus von sooooo weit weg kamen. Ein Gruppenfoto von uns und der ganzen Hotelbelegschaft musste auch noch geknipst werden, als Souvenir an diesen für sie so ereignisreichen Abend. Die Flasche Rum, die wir von unserer Reiseleiterin in Panama zum Abschied erhalten haben, leerten wir dann alle zusammen im Hotelgarten als Nightcup.

Gruppenfoto im Hotel

Zum Glück sind wir zeitig Richtung Medellin gestartet, denn nun ging’s über Stock und Stein bergauf (meist) und bergab (selten). Über einen 2600 Meter hohen Pass und dann gute 1000 Meter wieder runter nach Medellin. Die steilsten Stellen eng und mit etlichen Baustellen (die Regenzeit hat auch hier ihre Spuren hinterlassen). Der Scheff war in seinem Element am Steuer, der gestrige Tag war so etwas wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag in einem für ihn. Sascha, das ist unser 2. Fahrer, durfte aber auch ans Steuer. Er ist Journalist und Filmer (er macht eine Dokumentation über diese Reise) und zudem Testfahrer für Omnibusse. Er hat uns aber nicht wie Dummies durch die Kurven geschleudert, sondern uns sanft wie auf Engelsflügeln durch die Landschaft geschaukelt. Nicht, das ihr jetzt glaubt wir führen auf Nebenstraßen, oh nein, dies ist die Panamericana, die Hauptstraße Nr 1 von Nord nach Süd. Sie gilt oft als „Autobahn“ und ist daher mautpflichtig, obwohl sie schmal und nur ganz selten (bei der Einfahrt in große Städte) richtungsgetrennt ist. Dörfer und Städtchen werden auch nicht umfahren, die Straße fährt mitten durch, was für uns natürlich viel spannender ist – Leben pur eben – für die Chauffeure wohl eher nervig.

Die Landschaft
Immer wieder staunen wir über die Landschaften, die wir durchfahren. Auf Passhöhen von 2500 Metern und höher wachsen Kartoffeln und/oder Mais, es weiden Kühe unter Palmen. Im Regen- oder Nebelwald wachsen die Farne als Bäume. Die edelsten Blumen (z.B. Strelizien/Orchideen) wachsen als Unkraut im Urwald. Tulpenbäume blühen grellrot bis orange. Überhaupt herrschen bei den Blumen die ganz kräftigen, knalligen Farben vor. Und zudem im Wald so viele Grüntöne, wie man sie sich gar nicht vorstellen kann.

Medellin
Heute haben wir uns nun Medellin angeschaut. Erst mit einem kleinen Bus, dann zu Fuß. Die Stadt hat nicht einen eigentlichen Kern, schon gar keinen historischen. Ist aber riesig und was auffällt, die meisten Häuser sind aus rotem Backstein gebaut, auch bei ganz vielen Hochhäusern sind die Fassaden mit Backsteinen verklinkert. Mitten in der Stadt liegt ein kleiner Flugplatz, die (eher kleinen) Flugzeuge kommen steil von den Bergen angeflogen und landen mitten in einem Quartier, nicht weit von unserem Hotel entfernt, ich kann sie von meinem Zimmer (im 12. Stock) aus starten und landen sehen. Hier hätte ich nicht hinfliegen wollen, so viele Valium, wie ich da gebraucht hätte bei meiner Flugangst gibt es gar nicht.
Apropos Hotel, ich habe in einem der Blogs einen kapitalen Bock geschossen: In Granada waren wir nämlich in einem super schönen ehemaligen Kloster untergebracht, die Absteige fanden wir in San Juan del Sur vor.
Heute Abend gehen wir (fast alle) in eine Folklore Tanzshow. Ich berichte dann nachher weiter.

Es ist halb 11Uhr, die Tanzshow war großartig. Die Begleitmusik allerdings so laut, dass man Oropax gebraucht hätte, mein Tinnitus (und nicht nur meiner) wird mich die nächsten paar Tage strafen.

Morgen wollen wir schon 6.45 Uhr starten, wir haben gegen 400 Kilometer Weg vor uns und bei den Straßenverhältnissen in Kolumbien haben wir keine Ahnung wie lange wir unterwegs sein werden, vier Stunden Fahrzeit werden mit Sicherheit nicht reichen. Aber wir haben’s ja gut, wir können im Bus noch etwas schlafen. Eingekauft haben wir auch, damit wir was Süßes zu den Kaffeehalten zu picken haben.

Darum sage ich tschüss und adieu und gehe ins Bett
Hasta la vista

Heidi